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lege, klingt »Indien« ein bisschen nach »in die Binsen«, und »Agra« klingt definitiv nach
»aggro«. Das kann einfach kein Zufall sein.
Ich muss jetzt aufhören zu schreiben, weil die Straßen in katastrophalem Zustand sind
und mir übel ist. Ich kann mich nicht entscheiden, ob das an der Fahrerei auf diesen löchri-
gen Straßen liegt oder an dem Geruch nach Kuhdung auf meinem Kopf.
SAMSTAG, DEN 6. MÄRZ
Ich habe letzte Nacht überhaupt nicht gut geschlafen. Mir ging es richtig schlecht. Ich bin
davon aufgewacht, dass mir übel war und mein Magen rumorte. Toilette und Waschbecken
sind in Indien oftmals ziemlich weit voneinander entfernt, was wirklich bescheuert ist, weil
man gerade hier mitunter beides auf einmal braucht, wenn es mal aus beiden Enden heraus
will. Ich habe in diesem Hotel mehr Zeit auf dem Klo verbacht als irgendwo anders. Ei-
gentlich hatte ich also kein Zimmer mit Bad, sondern eher ein Bad mit Schlafzimmer.
Ehrlich gesagt war ich angesichts meiner Magenschmerzen nicht in Stimmung für das
Tadsch Mahal. Wir mussten trotzdem hin, weil unsere Drehgenehmigung nur heute gültig
war.
Luke erzählte mir, dass das Tadsch Mahal ein Mausoleum sei und der Bau zweiundzwan-
zig Jahre gedauert habe. Der Großmogul Shah Jahan hatte es für seine Lieblingsfrau errich-
ten lassen, die bei der Geburt ihres vierzehnten Kindes gestorben war. Es sollte das perfekte
Symbol ihrer Liebe darstellen.
Mir scheint, es könnte auch eines jener Gebäude sein, das dieser Mann immer schon hatte
bauen wollen, dem seine Frau aber widersprochen hatte. Und als sie dann gestorben war,
hat er sich einen Vorwand ausgedacht, um es endlich doch noch bauen zu können. Mein
Onkel wollte beispielsweise immer einen Plasmafernseher haben, aber seine Frau hielt das
für reine Geldverschwendung. Sobald sie unter der Erde war, schaffte er sich einen an.
Wir gingen immer näher auf das Gebäude zu. Schon komisch, dass es als eins der sieben
Weltwunder gilt. Bei dieser Umgebung würde man das nicht gerade vermuten. Wenn es ein
Kaufobjekt bei mieten, kaufen, wohnen wäre, würden die potenziellen Käufer bestimmt sa-
gen: »Also, wenn Sie es abtragen und irgendwo wieder aufbauen könnten, wo es schöner
ist, dann würden wir es nehmen!« Hier hätte es wirklich nicht gebaut werden dürfen.
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