Travel Reference
In-Depth Information
Vor dem Eingang tummelten sich Hunderte von Menschen. Die eine Hälfte verkaufte
Postkarten, Bildtafeln, Schlüsselringe und Schneekugeln. Die andere Hälfte waren Touris-
ten.
Nachdem wir diese Menschenmenge hinter uns gelassen hatten, trafen wir prompt auf die
nächste. Diesmal standen die Leute Schlange vor der Prinzessin-Diana-Gedächtnis-Bank.
Hier hatte sich Diana fotografieren lassen, als sie ihre Probleme mit Charlie hatte. Es heißt
immer, dass sie auf dem Foto deswegen so traurig aussah, aber ich glaube ja, dass ihre Pro-
bleme damit überhaupt nichts zu tun hatten. Ich glaube, sie war Indien einfach leid. Das
passiert einem früher oder später. Wenn es dir gerade nicht besonders gut geht, solltest du
nicht ausgerechnet nach Indien reisen, um darüber hinwegzukommen. Wenn sie mich ge-
fragt hätte, ich hätte ihr stattdessen die Center Parcs empfohlen.
Auf der Bank saß eine Frau, die versuchte, das berühmte Diana-Foto nachzustellen. Ein
Mann mit Kamera gab ihr Anweisungen. »Du siehst zu fröhlich aus. Du musst trauriger
gucken!«
Ein Reiseleiter namens Remish nahm sich meiner an. Er war besser als die meisten an-
deren. Wir liefen herum und unterhielten uns miteinander, anstatt dass er mir stundenlang
einen Vortrag hielt. Das ist echt ein Riesenunterschied. Er erzählte mir, dass dieses Ge-
bäude absolut symmetrisch sei. Wieder hatte ich das Gefühl, dass in dieser Hinsicht diese
Geschichte von der großen Liebe und der Symbolik nicht ganz stimmen konnte. Vielleicht
hatte der Mogul einfach nur eine Zwangsneurose.
Remish wies mich auf ein paar optische Täuschungen hin. Wenn ich von einem bestimm-
ten Tor aus das Tadsch betrachtete und mich dabei vor- und zurückbewegte, hatte es den
Anschein, als würde sich das Gebäude mitbewegen. Außerdem war der Marmor an man-
chen Stellen so gemustert, dass er aussah, als hätte er Ecken und Kanten, dabei war er dort
vollkommen glatt. Alles schön und gut, aber warum in aller Welt kam der Mogul auf die
Idee, optische Täuschungen in das Grabmal seiner Frau einbauen zu lassen? Es schnitzt
doch auch niemand ein Sudoku in einen Familiengrabstein.
Je mehr ich zu Gesicht bekam, umso beeindruckter war ich allerdings von der Hand-
werkskunst. Vielleicht ist Qualitätsarbeit der falsche Grund, ein Weltwunder toll zu finden,
aber diese hier hat es mir wirklich angetan.
Wir beschlossen, die Menschenmassen hinter uns zu lassen und vom Yamuna, einem Ne-
benfluss des Ganges, von einem Boot aus einen Blick auf das Tadsch Mahal zu werfen. Auf
dieser Seite des Gebäudes war es viel, viel ruhiger. Vermutlich war es der entspannteste
Moment, den ich hatte, seit ich in Indien angekommen war. Kein Hupen, kein Betteln, kein
Schreien, keine Mantras. Es war beinahe perfekt. Aber eben nur beinahe. Vom Ufer hinter
Search WWH ::




Custom Search