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ort für eine Fliege Indien ist. Diese dreckigen Sträßchen waren wie ein All-You-Can-Eat-
Drive-in für Schmeißfliegen.
Wo immer wir unterwegs waren, erregten wir wegen der Kamera und der Tonleute eine
Menge Aufmerksamkeit. Die Einheimischen lieben es, gefilmt zu werden. Ich lief die Stra-
ßen entlang und fühlte mich wie der Rattenfänger von Hameln, und zu einem bestimmten
Zeitpunkt hatte ich wohl so etwa dreißig, vierzig Menschen im Schlepptau. Ich habe Bilder
von Gandhi in so einer Menschenmenge gesehen und dachte eigentlich, das hätte an seiner
Beliebtheit gelegen, aber inzwischen habe ich da meine Zweifel. Vielleicht lag es auch nur
an dem Kamerateam, das er dabeihatte.
Endlich erreichten wir Asheks Haus. Es war winzig. Ich habe auch mal in einer wirklich
winzigen Wohnung gelebt, in der alles zum Greifen nah war. Ich konnte gleichzeitig in
der Badewanne liegen, Geschirr spülen und fernsehen, aber dieses Haus übertraf das so-
gar noch. Es war mehr oder weniger ein einziger fensterloser Raum mit einem Gitter statt
einer Tür. Eigentlich eher eine kleine Garage. Geschätzt sechs auf anderthalb Meter, und
die Hälfte davon nahm Asheks Hühnchenspießgrill ein. Knapp anderthalb mal anderthalb
Meter am hinteren Ende stellten den Wohnbereich dar. Kleiner wäre es wirklich nicht mehr
gegangen. Keine Deko, kein Fernseher, kein Stuhl. Nur ein Teppich, auf den man sich set-
zen konnte.
Wie kann jemand, der tagsüber als Rikschafahrer arbeitet und abends zusätzlich Hühn-
chenspieße verkauft, in einer solchen Behausung leben? Ich vermutete, dass Ashek deshalb
rund um die Uhr arbeitete, weil er mit seiner Freizeit nichts anzufangen wusste. Zumindest
konnte er zu Hause nirgends die Füße hochlegen.
Er eröffnete mir, dass ich heute Nacht bei ihm übernachten würde. Ich sah mich um und
fragte ihn, wo ich mich denn am besten hinlegen solle. Ich war müde. Aber dann wurde es
erst richtig verwirrend.
»Wir schlafen nicht hier«, sagte Ashek.
»Du schläfst nicht hier?«
»Yeah.«
»Also schläfst du doch hier?«
»Nein, nein.«
»Ich verstehe dich nicht. Was meinst du? Schläfst du jetzt hier oder nicht?«
»Ja, ich schlafe hier, aber heute bist du da … Okay?«
»Nein.«
»Also. Ich sage es anders. Wir schlafen hier nicht.«
»Schläfst du hier, oder schläfst du hier nicht?«
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