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er eigentlich ganz okay aus. Er meinte, in diesem Aufzug solle ich ihn Lorna Washington
nennen. Er war also eine Dragqueen, und an diesem Abend hatte er Engagements bei einer
Geburtstagsparty und bei einer Hochzeit. Ich fragte ihn, ob das denn nun hieße, dass er an-
dersherum wäre, und er antwortete so was wie: »Was glaubst du denn, Schätzchen?« Schon
wieder drum herumgeredet.
Celso forderte mich auf, es mir bei ihm zu Hause bequem zu machen, mir jederzeit mehr
Nusssaft zu nehmen, schrieb mir seine Handynummer auf, zeigte mir, wie die Fernbedie-
nung funktionierte, und legte mir einen Stapel DVD s heraus, unter anderem My Fair Lady.
Irgendwie erinnerte es mich an früher, wenn meine Mum abends ausging und mir ein biss-
chen Geld in die Hand drückte, damit ich mir am Kiosk um die Ecke noch Süßigkeiten
kaufen konnte, und sie mich davor warnte, irgendjemandem die Tür zu öffnen. Dann kam
Celsos Taxi, und durch die Fenstergitter beobachtete ich, wie Lorna Washington unter den
wachsamem Blicken ihrer Nachbarn zur Arbeit fuhr.
In seiner Wohnung war es wirklich sehr warm. Es gab zwar einen Deckenventilator, aber
der bewirkte rein gar nichts. Ich saß da und fragte mich, ob es auch eine dieser brasiliani-
schen Traditionen war, jemanden zu sich nach Hause einzuladen und dann selbst die Biege
zu machen und auszugehen. Kam mir irgendwie eigenartig vor. Ich bekam die DVD nicht
zum Laufen, also schaltete ich den Fernseher an. Dann ging ich zur Toilette, wo ich vier
gigantische Kakerlaken in flagranti erwischte. Ich kann diese Viecher nicht ausstehen. Für
meine Begriffe bewegen sie sich zu schnell. Außerdem lag dort so viel Gerümpel herum,
dass sie in null Komma nichts in ein perfektes Versteck flüchten konnten. Mich juckte es.
Und ich bemerkte einige Stiche an meinen Beinen. Ich glaube, ich habe an diesem Abend
eine neue Spezies auf meinem Körper entdeckt.
Die ungeheure Menge an Gerümpel ist schwer zu beschreiben - es war so gut wie un-
möglich, irgendwo auch nur eine klitzekleine freie Stelle zu entdecken, an der man noch
etwas hätte abstellen können. Ich hatte keine Ahnung, warum Celso all dieses Zeug aufbe-
wahrte. Bei einigen Gegenständen wusste ich noch nicht einmal, wozu sie überhaupt gut
waren. Christian verlegte übrigens sein Handy und konnte es nicht mehr wiederfinden. Und
irgendwann flippte ich dann aus. Ich konnte dort keine Sekunde länger bleiben. Ich mag
keine kleinen Räume, und je länger ich mich dort umsah, desto unwohler fühlte ich mich.
Die Kakerlaken gaben mir den Rest. In der Küche war ich nämlich auf ein totes Exem-
plar gestoßen. Angesichts der Tatsache, dass Kakerlaken angeblich die widerstandsfähigs-
ten Kreaturen auf der ganzen Welt sind, einen Atomkrieg und sogar eine ganze Woche oh-
ne ihren eigenen Kopf überleben können, und hier in Celsos Küche eine abgekratzt war,
beschloss ich, dass mein Aufenthalt hier nicht gesund sein konnte.
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