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Keine Sicherheitseinweisung, nichts von dem, was man sich üblicherweise vor einem Start
anhören muss. Und auch nichts, woran man sich hätte festhalten können. Sogar über der
Rückbank eines verdammten Ford Fiesta hängt so ein kleiner Handgriff, an dem man sich
festhalten kann. Aber hier? Nichts. Rein gar nichts.
Ungefähr sechs Meter über der Wasseroberfläche flogen wir an den Stränden von Ipa-
nema und Copacabana entlang. Ich war beunruhigt, weil das bedeutete, dass selbst wenn
ich einen Absturz überleben würde, ich durch den schlimmsten Wellengang, den ich je ge-
sehen hatte, zurück an Land schwimmen müsste. Aber als ich mich erst mal an den An-
blick gewöhnt hatte, fing es an, Spaß zu machen. Eigentlich ist es eine der besten Fortbe-
wegungsarten überhaupt. Vier Mal flogen wir um Cristo Redentor herum, und es war ein
grandioser Anblick. Dolores hatte wirklich nicht zu viel versprochen: Ich hatte eine fantas-
tische Aussicht. Ich blickte auf all die Touristen hinab, die unten am Fuß der Statue wie
Ameisen herumwuselten. (Da fällt mir ein: Es hätten ja wirklich Ameisen sein können. Ich
weiß schließlich, was dort unten kreucht und fleucht.) Aus dieser Perspektive war die Sta-
tue viel beeindruckender. Und sie sah von hier oben größer aus als dreißig Meter. Ich fühlte
mich dazu verpflichtet zuzugeben, dass dieser Jesus gut aussah. Aber mal ehrlich: Wenn
du in einem Affenzahn im Hubschrauber um seinen Kopf herumrast, ist Jesus wirklich der
Letzte, den du blöd von der Seite anreden willst. Allerdings muss ich sagen, dass sein Kinn
ein bisschen unproportioniert aussah. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Jimmy Hill.
Ich nahm an, das unproportionierte Kinn kam daher, dass der Bildhauer wegen all der flie-
genden Ameisen einen Zahn zugelegt hat. Aber als wir am Boden waren und uns wieder
normal verständigen konnten, klärte Christian mich darüber auf, dass der Riesenjesus nicht
etwa ein Riesenkinn hätte, sondern dass das einen Bart darstellen solle.
Den Hubschrauberflug fand ich super. Ich würde fast sagen: bislang das Highlight auf
dieser Reise. Zurück in unserem Ferienhaus verflog meine gute Laune dann aber schnell
wieder, als Steve anrief und mir erzählte, dass Celso mich zu sich nach Hause eingeladen
habe, um das brasilianische Leben noch besser kennenzulernen. Meiner Meinung nach, ant-
wortete ich, sei das pure Zeitverschwendung. Ich hatte in den letzten Tagen ja schon öfter
das Vergnügen mit Celso gehabt, und so richtig viel hatte er mir nicht beigebracht. Und
ich wusste immer noch nicht, ob er jetzt schwul war oder nicht. Steve meinte nur, ich solle
aufhören zu meckern und hingehen.
Wir nahmen die U-Bahn. Es war ein Albtraum. Die Leute haben sich schlimmer in den Zug
reingedrückt und gequetscht als in London. Wir brauchten ungefähr eine Stunde, bis wir in
Celsos Viertel ankamen, und als wir ausstiegen, war ich überrascht, wie es dort aussah. Er
hatte auf mich den Eindruck gemacht, als würde er einen extravaganten Lebensstil pflegen,
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