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eine Gasse entlanglief, kam mir eine Gruppe Mönche entgegen, und ich machte auf dem
Absatz kehrt, doch aus der Gegenrichtung kam ein Schwarm Nonnen auf mich zu. Ich wich
in eine Seitenstraße aus, auf der mir wieder Soldaten entgegenkamen. Ich kam mir vor wie
in einem Pac-Man-Spiel.
Ich besichtigte eine berühmte Mauer, die Klagemauer. Von der Klagemauer hatte ich bis-
lang ehrlich gesagt noch nie gehört. Sie ist sehr alt, und die Juden lieben sie geradezu. Sie
stellen sich davor und beten. Ein größerer Abschnitt ist für Männer und ein kleinerer für
Frauen reserviert. Keine Ahnung, warum sie nicht einfach nebeneinander an dieser Mauer
stehen dürfen. So mussten sie eine weitere Mauer bauen, um die Mauer aufzuteilen.
Es scheint hier im Übrigen ganz schön viele Mauern zu geben - eine gute Stadt für Hand-
werker, schätze ich. Zu Hause mögen wir Mauern ja nicht so gern. Ich glaube, bei uns gibt
es heutzutage weniger Mauern denn je. Großraumbüros und offene Wohnküchen scheinen
gerade besonders in Mode zu sein. Kein Wunder, dass dieser Graffiti-Künstler, Banksy,
neuerdings immer häufiger im Ausland unterwegs ist.
Ich sah den Leuten eine Weile beim Beten zu. Ein paar von ihnen lasen ein Stück aus der
Bibel, andere küssten die Mauer, und wieder andere schoben handgeschriebene Notizen in
die Mauerritzen. Ich unterhielt mich mit einem jüdischen Mann, der Dov hieß. Er erklärte
mir, dass die Leute ihre Sünden oder Wünsche aufschrieben und in die Ritzen steckten, da-
mit Gott sie dort sah. In jedem noch so schmalen Spalt steckte ein Zettelchen. Es sah aus,
als hätte der zuständige Bezirksbriefträger die Nase voll gehabt und seine Tasche hier ge-
leert. Ich bin mir fast sicher, dass sich in einigen dieser Mauerritzen sogar Werbepost von
Versicherungsunternehmen und Pizzaflyer befanden.
Ich kaufte mir einen Bagel für unterwegs und ging weiter.
Am Abend rief Steve an.
STEPHEN: Alles okay?
KARL: Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, mich nach Israel zu schicken?
Glaubst du allen Ernstes, das hier wäre ein idyllisches Fleckchen, ganz ohne ir-
gendwelche Gefahren …
STEPHEN: Welchen Gefahren bist du denn schon begegnet?
KARL: Die Leute hier tragen keine Handtaschen mit sich rum, sondern Gewehre. Je-
der hat ein Gewehr …
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