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Später meinte Luis, wir sollten in einem Cenote schwimmen gehen. Ein Cenote ist ein
riesiges Loch, bis zu fünfzig Meter tief, das entsteht, wenn eine Höhle einstürzt und mit
Wasser vollgelaufen ist. Ich bin eigentlich kein großer Schwimmer, aber ich dachte mir,
wenn ich mitginge, würde ich wenigstens nicht Gefahr laufen, ein Kakerlakensorbet - oder
was auch immer sie unter irgendeinem Stein finden würden - zum Nachtisch essen zu müs-
sen.
Heute war ein guter Tag.
FREITAG, DEN 9. APRIL
Wir sind heute früh aufgestanden, um das Wunder zu besichtigen. Jamie wollte vor all den
anderen Touristen dort sein. Das Problem war nur, dass wir rein gar nichts sehen konnten,
weil es noch stockfinster war.
Wir wanderten ungefähr eine halbe Stunde in der Dunkelheit umher und suchten also die-
ses Chichén Itzá und fanden es schließlich auch, als die Sonne endlich aufging. Ich hätte
ebenso gut ausschlafen können. Heute hatte ich keinen Fremdenführer, weil Jamie und Bar-
ney der Ansicht waren, ich könnte mir sämtliche Infos, die ich benötigte, genauso gut per
Audioguide über Kopfhörer aneignen.
Dieses Chichén Itzá ist schon komisch. Der Ort wurde von den alten Maya errichtet und
diente ihnen als Opferstätte. (Auf Englisch heißt »Opfer« »Sacrifice«. Elton John hatte
mal einen Hit mit diesem Titel. Vielleicht ist er deshalb hier aufgetreten.) Sie rissen ihren
Menschenopfern die Herzen aus dem Leib und schnitten ihnen die Köpfe ab. Nicht gerade
ein Vergnügungspark … Das Ganze als Touristenattraktion zu deklarieren, finde ich schon
merkwürdig. Genauso gut könnte man das Haus des englischen Serienmörders Fred West
zum Museum umfunktionieren, wenn es das ist, was die Leute interessiert. Und wenn man
bedenkt, dass die Maya heutzutage in Hütten aus Bambus und Stroh leben, scheint es mir
schon ein bisschen übertrieben zu sein, dass sie damals diese riesige, massive Anlage ge-
baut haben, nur um Köpfe abzuschlagen.
Chichén Itzá ist mehr oder weniger eine Pyramide mit vier Seiten, an denen Treppen zu
einer Art Bungalow an der Spitze hinaufführen. Wenn ich länger darüber nachdenke, füh-
ren all diese Treppenstufen das Konzept eines Bungalows natürlich irgendwie ad absur-
dum.
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