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oder in Containern angeliefert wurden. Gleichzeitig zogen viele
Industriebetriebe aus dem Hafen in den suburbanen Raum. An
den Standorten der früheren Hafenanlagen blieben unansehnli
che und ungenutzte Gebäude zurück, die allenfalls durch groe
Brachächen ersetzt wurden. In den 1960erJahren erkannten
die ersten Stadtplaner und Politiker das Entwicklungspotenzial
der am Rande der Stadtzentren gelegenen Flächen, die sich für
unterschiedliche neue Nutzungen anboten. Sollten hier neue Ar
beitsplätze im sekundären oder im tertiären Sektor eingerichtet
werden, sollten Wohnhäuser gebaut oder vielleicht besser Frei
zeiteinrichtungen entstehen? Stets standen mehrere Nutzungen
im Wettbewerb zueinander, und Konikte waren vorprogram
miert. Problematisch waren darüber hinaus die Altlasten und die
Tatsache, dass die Flächen häug nicht als Ganzes, sondern nach
und nach aufgegeben wurden und meist einer gröeren Zahl von
Eigentümern gehörten (Hahn 1993).
Alle Städte mussten anfangs gröere Summen in die alten
Hafenstandorte investieren, um diese für private Investoren in
teressant zu machen. In Baltimore wurden zwischen 1968 und
1983 ca. 45 % aller Investitionen von der Stadt getragen, zwischen
1983 und 1987 betrug dieser Anteil nur noch rund 5 %. In San
Francisco sind am Fisherman's Wharf, das sich allerdings nicht in
direkter Nachbarscha zur Downtown bendet, aber strategisch
günstig am Endpunkt der Zahnradbahn gelegen ist, seit Ende der
1960erJahre durch die Umwandlung alter Fabrikgebäude und
Piers in Einkaufszentren, Restaurants und Imbissstände sowie
durch die Anlage eines Yachthafens ein bunter Rummelplatz ent
standen, der eine groe touristische Attraktion darstellt. In Bos
ton und in Baltimore ist die Umwandlung der alten Hafenanlagen
in Verbindung mit der Sanierung der angrenzenden Innenstadt
bereiche erfolgt ( . Abb. 4.20 ). In beiden Städten sind seit den
1960erJahren im Bereich der früheren Hafenanlagen Shopping
Center, Museen, Aquarien, aber auch Wohnhäuser und Büroge
bäude entstanden, wobei in Boston allerdings weit mehr beste
hende Gebäude wie der in den 1820erJahren errichtete Quincy
Market mit neuem Leben gefüllt wurden als in Baltimore, wo fast
ausschlielich neue Gebäude errichtet wurden. Die Erönung
von Quincy Market 1976 am Rand der Innenstadt von Boston
hat eine Wende eingeleitet. Bis zu diesem Zeitpunkt schienen
Bedeutungsverlust und Verfall der Downtowns unaualtsam.
Die Mischung aus hochwertigem Fastfood, inhabergeführtem
lokalen Einzelhandel und groem Freizeitangebot in historischen
Markthallen erwies sich als attraktiv für Einheimische und Tou
risten. Quincy Market war innovativ und einmalig und wirkte als
Inkubator für den Aufschwung der Innenstadt (Gratz und Mintz
1998, S. 4849; Hoyle et al. 1988).
Im Hafen von Baltimore, das einst durch den Stahlproduzen
ten Bethlehem Steel geprägt war, hatten Umschlag und Industrie
zwischen 1962 und 1985 einen massiven Einbruch erlitten, wo
von zunächst insbesondere die innenstadtnahen Hafenstandorte
betroen waren. In der angrenzenden Downtown hatte der Be
deutungsverlust in den 1940erJahren eingesetzt, der sich in den
folgenden Jahrzehnten verstärkte. Nachdem mehrere Versuche
einer Revitalisierung der Innenstadt gescheitert waren, wurden
ab Ende der 1950erJahre rund 700 Gebäude im Stadtzentrum
abgerissen, die aber längst nicht alle verfallen oder ungenutzt
waren, um hier auf 13 ha das multifunktionale Charles Center
mit mehreren Bürogebäuden, Einzelhandel und Restaurants zu
bauen, das direkten Zugang zur UBahn erhielt. Das Charles
Center wurde mit Fugängerbrücken an die umgebenden Bau
blöcke angeschlossen. Die Sanierung des angrenzenden Inner
Harbour was schon lange diskutiert, aber aufgrund des schlech
ten Images als zu riskant eingeschätzt worden. 1968 erfolgten
hier endlich die ersten Abräum und Aufräumarbeiten, und 1971
wurde ein Sanierungsplan verabschiedet. Die durchgehende Pro
menade um das Hafenbecken wurde im folgenden Jahr fertig
gestellt, bald folgten der Bau weiterer Gebäude bzw. der Umbau
bestehender Bauten. Die Rouse Company errichtete einen festival
market bestehend aus Gebäuden für Einzelhandel und Gastro
nomie, die an Markthallen erinnern sollten. Weiterhin wurden
ein groes Aquarium, das Maryland Science Center und das Vi
sionary Art Museum, das im Gegensatz zu den anderen Museen
der Stadt keine etablierte Kunst ausstellt, gebaut, und westlich
des Inner Harbour entstanden ein Football und ein Baseball
Stadion. Ein altes Krawerk wurde für Bars, Restaurants, meh
rere Bühnen und einen groen Buchladen umgebaut. Im Lauf der
Jahre folgten der Bau einer gröeren Zahl von Apartmenthäusern
und Hotels nicht nur im Inner Harbour, sondern auch in den
angrenzenden ufernahen Bereichen des Patapsco River. Während
sich zu Beginn der 1970erJahre kaum jemand in den Inner Har
bour verirrte, zählte man rund drei Jahrzehnte später hier mehr
als 22 Mio. Besucher jährlich, wovon rund 30 % Touristen waren,
die o auch ein oder zwei Nächte in den Hotels verbringen (Pries
2009, S. 91103).
Die Revitalisierung des Inner Harbour galt lange als ein
groer Erfolg, an dem sich weltweit Häfen beim Umbau ihrer
brachliegenden Flächen orientierten. Bemerkenswert ist, dass
zunehmend sehr hochwertige Apartmenthäuser in den Uferbe
reichen gebaut wurden. Am Südufer sind sogar Ritz Carlton Resi
dences mit Luxusapartments mit bis zu rund 500 m 2 Wohnäche
entstanden. Allerdings war der Zeitpunkt der Fertigstellung im
Jahr 2008 auf dem Höhepunkt der Immobilien und Finanz
krise denkbar schlecht. Gleichzeitig waren eine Reihe weiterer
Apartmenthäuser bezugsfertig, konnten aber nicht verkau oder
vermietet werden. Obwohl inzwischen die Nachfrage wieder an
gezogen hat, standen auch Anfang 2013 noch viele Wohnungen
im Inner Harbour und am Ufer des Patapsco River für einen
Preis von durchschnittlich gut 260.000 USDollar zum Verkauf.
Aber nur zwei oder drei Blöcke vom Ufer entfernt brechen die
Preise deutlich ein, denn hier ist kaum neu gebaut oder saniert
worden. Die Revitalisierung der waterfront von Baltimore hat
sich nicht positiv auf die Gesamtstadt ausgewirkt, wo die Apart
ments oder Einfamilienhäuser insgesamt nur durchschnittlich
96.000  USDollar kosten. Dieser Wert steht in einem starken
Kontrast zu dem nur rund 70 km südlich gelegenen Washing
ton, D.C., wo der vergleichbare Wert bei über 400.000 USDollar
liegt (   www.zillow.com ). In einigen Teilbereichen hat zudem
eine gentrication stattgefunden. Das gilt insbesondere für die
früheren Arbeiterstadtteile Fells Point und Little Italy, wo viele
der kleinen Wohnhäuser abgerissen oder einer Edelsanierung
unterzogen worden sind, was mit einer starken Veränderung der
Bevölkerungsstruktur verbunden war (Pries 2009, S. 108114).
Das innerstädtische Charles Center ist bereits mehrfach um
gebaut worden, wobei sich der Erfolg nur sehr zögerlich einstellt.
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