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und den Einuss des Kapitals auf die Stadtentwicklung nicht er
kannt. Schwarz (2010) bemängelt, dass Jacobs zu den gentriern
der ersten Generation gehöre und selbst zu der Veränderung des
West Village beigetragen habe. Andere loben den Einuss von
Jane Jacobs auf die Entwicklung der nordamerikanischen Stadt,
da sie einen Paradigmenwechsel von der autogerechten zur le
benswerten Stadt eingeleitet habe (Sorkin 2009, S. 2223). SoHo
würde es in der heutigen Form ohne Jane Jacobs nicht geben,
wenn die geplante Schnellstrae gebaut worden wäre ( . Abb. 3.6 ).
Sie habe erstmals herausgearbeitet, wie eine lebendige Stadt be
schaen sein solle und wurde nicht müde, dieses zu verkünden.
Jane Jacobs habe das Potenzial von SoHo erkannt und erfolgreich
den Protest gegen die Umwandlung angeführt. Die Vorgänge, die
sich Ende der 1950er, Anfang der 1960erJahre in SoHo abspiel
ten, bezeichnet man heute als SoHo syndrome. Nicht nur war
es fortan auch an anderen Standorten in New York schwierig,
gewachsene kleinteilige Strukturen zugunsten von Groprojek
ten aufzulösen, die geretteten Viertel gaben sich auch gerne
Namen, die an das Vorbild SoHo erinnerten. Der erfolgreiche
Kampf gegen den Bau des Lower Manhattan Expressway hatte
binnen kürzester Zeit Auswirkungen auf benachbarte Stadtteile
wie TriBeCa (Triangle below Canal St.), Noho (North of Houston
St.), EsSo (East of SoHo) und das East Village, die alle unter Ver
änderungsschutz gestellt wurden. Schon bald dehnte man diese
Manahmen auf Viertel in Brooklyn wie Dumbo (Down under
the Manhattan Bridge) und die historischen Arbeiterviertel
Greenpoint, Northside und Williamsburg aus, wo es stets Wohn
und Gewerbenutzungen in enger Verzahnung gegeben hatte. In
Anlehnung an das New Yorker Vorbild wurde aus Denver's Lower
Downtown LoDo, aus Seattle's South of the Dome SoDo und aus
San Franciscos South of Market SoMa (Gratz und Mintz 1998,
S. 302303).
Als Antwort auf die Proteste von Jacobs und anderen Akti
visten gründete der New Yorker Bürgermeister Robert Wagner
1962 die Landmarks Preservation Commission, die erwartungs
gemä von der Immobilienwirtscha, die sich vor rigiden Bau
vorschrien fürchtete, kritisiert wurde. Schon Mitte der 1960er
Jahre standen in New York rund 700 Gebäude unter dem Schutz
der Kommission, und 2010 waren es mehr als 25.000. Bislang
wurden in der Stadt rund hundert historic districts ausgewiesen
( . Abb. 3.7 ). Südlich der 96th St. in Manhattan erstrecken sich
die historic districts über mehr als 15 % der bebauten Flächen.
Jede Veränderung muss hier von der Landsmark Preservation
Commission genehmigt werden (   www.nyc.gov/landmarks ).
Zwischen 1955 und 1964 hat die Stadt dem Bau von 11.000 Woh
nungen zugestimmt, zwischen 1980 und 1999 aber nur noch von
3120  Wohnungen. Angesichts steigender Einwohnerzahlen ist
der Wohnraum in New York hei umkämp und die Mieten
sind von 1970 bis 2000 um 284 % in konstanten Preisen gestie
gen. Der knappe Grund und Boden New Yorks wird nicht opti
mal genutzt. In einem 40geschossigen Hochhaus entfallen auf
eine 110 m 2 groe Wohnung nur knapp 3 m 2 Grundäche und
somit weit weniger als in einem geschützten viergeschossigen
Gebäude, dessen Abriss nicht erlaubt ist. Dennoch kosten neue
Apartments dieser Gröe in New York häug mehr als 1 Mio.
USDollar. In Houston, wo der Wohnungsbau kaum limitiert
ist, kostet ein Neubau mit einer Wohnäche von 230 m 2 dage
Gansevoort Street
Manhattan
Greenwich
Village
Washington
Square
N
200 m
. Abb. 3.7 Greenwich Village Historic District (adaptiert nach www.nyc.gov/
landmarks )
gen nur 200.000 USDollar. Nur die Wohlhabenden können sich
eine Wohnung in den historic disricts New Yorks leisten. Die
Bewohner der geschützten Viertel haben häuger einen Hoch
schulabschluss als der durchschnittliche New Yorker, und der
Anteil der Weien ist höher als in anderen neighborhoods. Aber
auch in Vierteln, die nicht unter dem Schutz der Landmarks
Preservation Commission stehen, sind die Preise hoch, da die
Errichtung von Neubauten in den historic districts begrenzt ist.
New York empehlt sich heute nur noch als Wohnstandort für
Reiche, die jeden Preis für ihre Wohnungen zahlen können, und
für arme Einwanderer. Letztere ziehen in die nicht renovierten
Wohnungen in schlechten Lagen mit Zugang zum öentlichen
Nahverkehr. Im suburbanen Raum können sie nicht wohnen, da
sie sich kein Auto leisten können. Auerdem bietet nur die Stadt
Unqualizierten ein groes Angebot an Arbeitsplätzen. Tatsäch
lich ist ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Zahl der
Baugenehmigungen und den Immobilienpreisen festzustellen.
Auch in Chicago ist Bauland knapp, aber zwischen 2002 und
2008 wurden hier 68.000  Baugenehmigungen erteilt, während
Boston im gleichen Zeitraum nur den Bau von 8500 Neubauten
genehmigt hat (Glaser 2011a, S. 150151, 184, 242). 2012 betrug
der durchschnittliche Kaufpreis für eine Wohneinheit in New
York 462.500 USDollar, in Boston 370.000 USDollar und in
Chicago nur 162.900  USDollar (   www.zillow.com ). Vor die
sem Hintergrund scheint die Kritik Glaesers an der restriktiven
Erteilung von Baugenehmigungen in New York gerechtfertigt
zu sein, auch wenn sich ein Europäer kaum eine noch kompak
tere Bebauung als in Manhattan vorstellen kann. Bürgermeister
Bloombergs Antwort auf die New Yorker Wohnungskrise ist der
Bau von microunits (Miniwohnungen) mit einer Fläche von
deutlich unter 30 m 2 . So könne nicht nur preiswerter Wohnraum
geschaen, sondern auch auf den demograschen Wandel und
die groe Zahl von Singlehaushalten reagiert werden. Die Reak
tionen auf diesen Vorschlag waren gemischt (New York Times
21.9.2012 u. 11.7.2012). Interessant waren die Überlegungen,
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