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ist, so dass man den bislang gegangenen Weg durch die Texte auch zurück-
gehen kann.
All das löst aber nicht das Hauptproblem des Lesens von Hypertexten:
Man nimmt die Informationen aus den einzelnen Textteilen nicht nach und
nach in einem linearen Verlauf auf, den ein Autor vorgegeben hat (wie etwa
bei einem Roman), sondern erschaft sich selbst eine Reihenfolge, die
niemand genau so geplant hat. Deshalb sind die Textteile nicht zwangsläuig
in der Weise aufeinander abgestimmt, dass sich ein sinnvolles Ganzes ergibt,
der Leser muss vielmehr die Zusammenhänge selbst erschließen und Lück-
en aktiv füllen. Stellen Sie sich etwa einen Text vor, der eine Reise durch
Italien beschreibt. Als linearer, traditioneller Text weiß der Leser an jeder
Stelle, zu welchen Orten die Reise zuvor schon geführt hat, und der Autor
kann bei der Beschreibung von Rom und seiner Kunstwerke auf die von
Florenz zurückgreifen, etwa auf Michelangelo, der in beiden Städten bedeu-
tende Werke hinterlassen hat. Wird die Reisebeschreibung als Hypertext
verfasst, bei der ich jede Station einzeln anklicken kann, habe ich beim
Textstück zu Rom zuvor vielleicht den Teil zu Florenz bereits gelesen - viel-
leicht aber auch nicht. Der Rom-Textteil kann deshalb nicht einfach die Ken-
ntnis der Person Michelangelos voraussetzen, sondern muss ihn entweder
erneut einführen oder auf den Florenz-Textteil verweisen. Der Leser muss
Informationslücken seinerseits aktiv füllen, wenn er ein zusammenhän-
gendes Bild aufbauen möchte. Das Lesen eines Hypertexts ist also einerseits
verführerisch leicht, weil das Klicken so einfach ist, es erfordert aber mehr
Eigenleistung des Lesers, wenn tatsächlich etwas verstanden sein will.
Ein Weg, den Leser zu entlasten, ist der, die Textteile dynamisch, in Ab-
hängigkeit vom Weg des Lesers, zusammenzustellen. Wie eine solche inhalt-
liche Dynamik realisiert werden kann, sehen wir uns im nächsten Abschnitt
an. Digitale Texte sind aber schon im Hinblick auf ihr Aussehen veränder-
lich, dies ist ja eine ihrer herausstechenden Eigenschaften. Beim digitalen
Lesen kann man sich deshalb nicht mehr auf die eine Textfassung beziehen,
vielmehr bestehen je nach Lesegerät, Leseprogramm und Benutzervorlieben
viele unterschiedlich aussehende Fassungen. Gut kann man dies bei E-
Book-Lesegeräten sehen: Weil die Nummerierung von Seiten sinnlos ist,
wenn sie bei jeder Veränderung von Schriftgröße oder Zeilenabstand anders
vorgenommen werden muss, wird stattdessen der Lesefortschritt als
Prozentwert angegeben. Für das Zitieren einer Textstelle in einem digitalen
Text, der nicht seitenweise abgespeichert ist (wie es bei PDF-Dokumenten
geschieht), gibt es allerdings bis heute kein allgemein anerkanntes Ver-
fahren, das überall unterstützt wird. Der Text erscheint dem Leser dadurch
 
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