Information Technology Reference
In-Depth Information
genauso »virtuell«, wie er ja eigentlich als Ansammlung einer langen Liste
von Bits auch ist. Bei der Suche nach einer Textstelle hilft es einem nicht
sehr viel weiter, wenn man weiß, dass diese irgendwo unten links auf der
Seite gestanden hat - bei anderer Schriftgröße oder bei kürzeren Zeilen er-
scheint die gesuchte Stelle an ganz anderer Position auf dem Display. Dem
steht für den Leser der Vorteil gegenüber, dass er sich digitale Texte in der
Weise anzeigen lassen kann, wie es für ihn oder das Medium am passend-
sten ist. Das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern macht Texte
auch »barrierefrei« - Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit können
sich eine Textfassung anzeigen lassen, die ihren Anforderungen entspricht.
Die meisten Menschen bevorzugen bislang beim Lesen längerer Texte die
Papierfassung gegenüber Lesegeräten wie Tablet oder E-Book-Reader. Das
hat eine Gruppe von Psycholinguisten und Buchwissenschaftlern in einer ex-
perimentellen Studie kürzlich herausbekommen. 155 Ältere und jüngere Ver-
suchspersonen mussten verschiedene Texte in unterschiedlichen Schrift-
größen lesen. Danach wurde überprüft, wie gut sie den Text verstanden hat-
ten. Während des Lesens wurden die Blickbewegungen und mittels EEG die
elektrische Aktivität des Gehirns aufgezeichnet. Sowohl die älteren als auch
die jüngeren Versuchsteilnehmer gaben mit großer Bestimmtheit an, dass
die Papierfassung des Texts für sie am angenehmsten zu lesen sei. Beim Ver-
ständlichkeitstest zeigten sich dann aber keine Unterschiede. Doch nicht nur
das: Die genauere Untersuchung der Blickbewegungen und der Hirnaktivität
zeigte, dass insbesondere den älteren Versuchspersonen das Lesen über das
Tablet wesentlich leichter gefallen war. Bei den jüngeren Versuchspersonen
war dieser Efekt schwächer ausgeprägt. Dies zeigt, dass das subjektive Em-
pinden nicht unbedingt mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstim-
men muss. Ein Buch muss eben aus Papier bestehen, um ein Buch zu sein,
genauso wie eine Weinlasche einen echten Korken haben muss oder ein
Tonträger aus Vinyl zu sein hat. Einen tatsächlichen Grund dafür gibt es
aber nicht.
Kapitel 5.2
Hybrides Lesen
Nicht nur der Mensch, nicht nur die Schrift und nicht nur ich - die drei kul-
turellen Tendenzen der Digitalisierung gelten auch für die Kulturtechnik des
Lesens. Wie sich Hybridität, Multimedialität und Sozialität auf das Lesen
 
Search WWH ::




Custom Search