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Kapitel 4.5
Digitale Kultur?
Was ist das für eine Kultur, in der wir heute leben? Die Schriftkultur ist ja
nicht einfach verschwunden, sie lebt weiter in Druckereien und Bibliothek-
en, in ihren Institutionen wie Schulen und Universitäten, Verlagen und dem
Pressewesen. Doch auch die Infrastrukturen und die Institutionen der
Schriftkultur wurden längst erfasst von der Digitalisierung. Weder beim
Druck, im Vertrieb und Handel noch bei der Lagerung wird auf vernetzte
Computer verzichtet. Alle scheinbar traditionellen Infrastruktureinrichtun-
gen der Schriftkultur sind heute auch durch die Digitalisierung geprägt.
Nicht anders sieht es aus bei den Institutionen der Schriftkultur: Auch sie
sind durchzogen von der Verarbeitung digitaler Texte und digitaler Daten im
Allgemeinen. Dies geschieht, etwa in Schule und Universität, in Organisa-
tionsformen, die in der und für die Schriftkultur entstanden sind und die nur
langsam auf die Triebkräfte der Digitalisierung reagieren. Graduelle Verän-
derungen sind jedoch festzustellen, der Computer macht als eigenständiger
Akteur in diesen kulturellen Institutionen sich zunehmend bemerkbar. Wer-
den die Spannungen irgendwann deutlicher zutage treten und das Ende der
Schriftkultur einläuten?
Ich glaube und mit diesem Buch versuche ich es zu belegen, dass das
Ende der Schriftkultur längst eingetreten, etwas anderes aber noch nicht
klar erkennbar an ihre Stelle getreten ist. Die Schriftkultur war dadurch ge-
prägt, dass Schrift allein dem Menschen gehörte und das Geschriebene al-
lein durch die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens in die kulturelle
Entwicklung einloss. Die Digitalisierung hat uns die Unmittelbarkeit im
Umgang mit Schrift genommen, und mit dem Computer ist ein weiterer Ak-
teur auf die kulturelle Bühne getreten. Dieser Akteur bringt seine eigenen
Spielregeln mit - wir haben uns in diesem Kapitel angesehen, worin sie be-
steht: Der digitale Code lässt sich automatisch bearbeiten, ist selbstkorrigi-
erend und komprimierbar. Der Computer vermag unterschiedliche Informa-
tionsarten zusammenzuführen und vernetzt zu arbeiten. Wir haben diese Ei-
genschaften als Triebkräfte der Turing-Galaxis bezeichnet. Was für Tenden-
zen ergeben sich daraus für die Kultur des Digitalen?
Die Möglichkeit, den Umgang mit Schrift und Text zu automatisieren,
führt dazu, dass die kulturelle Kommunikation in der Gesellschaft nicht
mehr nur zwischen Menschen stattindet, sondern auch zwischen Menschen
und Computern. Die menschliche Art, mit schriftlichen Informationen
