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sie, die »freie«, sich also nicht an Autoritäten orientierende Rede entwick-
elte sich erst ab dem 18. Jahrhundert. Die Erstellung eines Buchs dauerte
auf diesem Wege dann auch zehn bis 15 Monate, die Studenten brachten es
bestenfalls auf einen Besitz von zehn bis dreißig Handschriften. 107 Mit dem
Buchdruck änderte sich dies natürlich, aber bis heute gelten in der
akademischen Ausbildung die Lektüre und das Verfassen von Texten als zen-
trale didaktische Methoden. Wissenserwerb wird mit der Aneignung von
Lehrbüchern gleichgesetzt, mit der Auseinandersetzung mit unterschied-
lichen wissenschaftlichen Positionen durch das Lesen und die komprimier-
ende Darlegung von Originalliteratur (Aufsätze und Bücher). Texte werden
als Seminararbeiten oder wissenschaftliche Abschlussarbeiten verfasst, als
Protokolle oder Klausuren. Sie dürfen nur auf andere Texte verweisen, nicht
etwa Diskussionen oder Vorträge in Zitaten einbeziehen - die Sphäre der
Schriftkultur wird also nie verlassen. Selbst im gemeinschaftlichen Rahmen
des Lernens im Seminar bleibt die Schrift zentral: als Tafelanschrieb oder
auf der Overhead-Folie. Universitäten und andere Hochschulen sind so
jahrhundertelang optimierte Institutionen der Vermittlung kulturellen Wis-
sens im Medium der Schrift geworden.
Erst im 19. Jahrhundert, nach der preußischen Universitätsreform Wilhelm
von Humboldts, wurden Universitäten auch zu Forschungseinrichtungen im
modernen Sinne. 108 Noch später entstanden reine Institutionen der
Forschung wie etwa die Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die 1948
zur Max-Planck-Gesellschaft umirmiert wurde. Merkmal der verschiedenen
Forschungseinrichtungen ist es, dass sie das Ziel der Schafung kulturellen
Wissens verfolgen, dafür geeignete Forschungsinfrastrukturen besitzen, et-
wa Labore oder Rechenzentren, und Teil eines internationalen wissenschaft-
lichen Kommunikationsnetzwerks sind. Die wichtigsten Kommunikationsmit-
tel in der Forschung sind Texte: wissenschaftliche Artikel und Bücher. Auch
Konferenzen spielen in der innerwissenschaftlichen Kommunikation eine
wichtige, vor allem soziale Rolle. Doch auch hier läuft es auf Sammelbände
hinaus, die die mündlich präsentierten Konferenzbeiträge in schriftlicher
Gestalt enthalten.
In der wissenschaftlichen Kommunikation haben sich in der Moderne für
diese Textsorten viele Regeln herausgebildet, die von den Wissenschaftlern
minutiös eingehalten werden müssen, wenn sie mit ihren Forschungsergebn-
issen anerkannt werden wollen. Diese Regeln betrefen den Aufbau der
Texte, Wortwahl, Formulierungen und Stil bis hin zum Textdesign. Noch
wichtiger sind aber die Regeln, die sich auf die gegenseitige Bezugnahme
 
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