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Standardisierung, denn das, was standardisiert ist, ist erwartbar und kann
mit vorhandenen Methoden verarbeitet werden. Nicht anders ist das auch
beim Lesen. In der antiken und mittelalterlichen Manuskriptkultur dagegen
war jedes Buch ein Unikat. Zwar gab es auch bei diesen Büchern Konven-
tionen hinsichtlich Typograie und Textdesign, doch brachte jeder Schreiber
zwangsläuig auch seine eigene Schreibweise in das Schrift- und das Textb-
ild mit ein. Für den Leser bedeutete dies, dass er sich bei jedem Buch auf
gewisse Eigenarten der Textgestalt einstellen musste, und so etwas führte
auch beim Lesen zu erhöhten zeitlichen und kognitiven Kosten.
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Diese Bedingungen begannen sich mit dem Buchdruck ab Mitte des
15. Jahrhunderts nach und nach zu verändern. Zwar hatte auch eine auf Per-
gament gedruckte, mit Buchmalereien versehene Gutenberg-Bibel in ihrer
anisierung des Schreibvorgangs sehr bald eine Beschleunigung der Buch-
produktion um etwa das Hundertfache. Der Umstieg auf das billigere Papier,
der nach und nach erfolgende Verzicht auf die per Hand vorgenommenen
Buchmalereien und die explosionsartige Ausbreitung von Druckereien über-
im 9. Jahrhundert schätzungsweise nur etwa 9.000 Bücher handschriftlich
produziert, entstanden allein in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts um
wenn sich in den Skriptorien ein arbeitsteiliger Herstellungsprozess
etablierte, war mit der Mechanisierung des Schreib- und Kopierprozesses in
der Druckerei eine enorme Kostenreduktion verbunden, die auch die Ent-
stehung neuer Textsorten wie etwa das Flugblatt begünstigte.
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Dass sich die Technologie des Buchdrucks so sehr auf die Produk-
tionsgeschwindigkeit von Büchern ausgewirkt hat, war allerdings zunächst
nur ein Seitenefekt dessen, was Johannes Gutenberg erreichen wollte. Das
jedenfalls meint der Medienhistoriker Michael Giesecke. Er ist der Ansicht,
dass es Gutenberg um die Entwicklung einer »Schönschreibmaschine ohne
Schreibrohr, Grifel und Feder« gegangen sei. Demnach strebte er analog
dem Schönheitsideal der »wundervollen Harmonie« in der Renaissance nach
dem »Ideal einer ›künstlichen‹ (im Sinne von kunstvollen) Proportionierung
mit Hilfe von Gussformen und durch die Herstellung der Gussformen mit
Stempeln gelang ihm eine Vereinheitlichung des Schriftbildes und aufgrund