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kognitive (geistige »Anstrengung«) und soziale Kosten (wieviele Menschen
müssen miteinander kooperieren und in welcher Weise).
In der mittelalterlichen Manuskriptkultur war die Produktion eines Buches
in allen vier Bereichen mit hohen Kosten verbunden. Es wurde handschrift-
lich auf Pergament geschrieben - jede Seite eines großformatigen Kodex be-
stand aus einem halben Ziegen- oder Schafsfell, das durch ein spezielles Ver-
fahren zu einem haltbaren Schriftträger gemacht wurde. 77 Ganze Herden
von Tieren haben so für ein umfangreiches Werk ihr Leben lassen müssen.
Oft wurde schon vorhandenes Pergament wiederverwendet; dann musste die
ältere Beschriftung mühsam abgekratzt und das Blatt neu liniert werden.
Auch die Vorbereitung des Schreibgeräts, von Feder, Tinte, Schwamm und
Bimsstein, war ein aufwändiger Vorgang. 78 Das Schreiben selbst erfolgte
lange Zeit nach Diktat, und auch der Schreibvorgang selbst konnte arbeit-
steilig geschehen. Viele Handschriften wurden außerdem mit Malereien
verziert, wofür wiederum ein Spezialist zuständig war. All das war teuer und
dauerte lange, so dass umfangreiche und schön verzierte Bücher sehr hohe
Werte darstellten und oftmals nur nach Auftrag angefertigt wurden. Die Dis-
tribution der Bücher musste in Zeiten, in denen es noch keinen Postverkehr
gab, durch Boten und Kuriere oder auf dem Handelsweg erfolgen. Aus dem
antiken Alexandria ist bekannt, dass alle Schife, die im Hafen der Stadt ein-
liefen, nach Schriftrollen durchsucht wurden und die Schife solange nicht
wieder in See stechen durften, bis diese Rollen bzw. Bücher nicht kopiert
waren. Durch das »Abgreifen« von Büchern, die sich auf dem in der Antike
ofenbar üblichen marinen Vertriebsweg befanden, wuchs die berühmte Bib-
liothek von Alexandria zur größten Bibliothek ihrer Zeit an. Zu ihrer
Blütezeit sollen sich etwa 500.000 Bücher (Schriftrollen) in ihr befunden
haben. 79
Im Kommunikationsprozess folgt die Rezeption auf die Produktion, und
auch hier kann man nach dem geistigen Aufwand, also den kognitiven Kos-
ten fragen. Zunächst einmal könnte man meinen, dass sich beim Lesen eines
Buches nichts Grundlegendes geändert hat, ob es sich nun um ein
Manuskript, ein gedrucktes Buch der frühen Neuzeit oder einen digitalen
Text auf dem Computerdisplay handelt. Doch erinnern Sie sich an die scrip-
tura continua und die »Erindung« von Wortzwischenräumen: Durch diese
normierte Darstellung von Wörtern im Text wurde das Lesen vereinfacht und
stummes Lesen überhaupt erst möglich. Auch die Ausdiferenzierung des
Textdesigns, wie wir sie uns etwa mit der Entwicklung der Zeitung verge-
genwärtigt haben, hatte durch die Herausbildung eines neuen Texttyps eine
Vereinfachung des Leseprozesses zur Folge. Das Zauberwort heißt dabei
 
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