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analysieren und ihr eine Bedeutung zuordnen zu können. Das sind die ma-
teriellen Rahmenbedingungen der sprachlichen Kommunikation.
Gehen wir erneut an den Anfang der Kette: Frau Müller möchte mit dem
Satz »Die Renovierung wird bald beginnen« etwas ganz Bestimmtes er-
reichen. Auf dem Balkon ihrer Wohnung beinden sich einige Gartenmöbel
und Blumenkästen, die vor Beginn der Renovierung weggeräumt werden
müssen. Herr und Frau Müller wollen einen Termin verabreden, um das ge-
meinsam zu erledigen. Wenn Frau Müller also die Renovierung anspricht,
ohne diese Aufgabe explizit anzusprechen, geht sie davon aus, dass Herr
Müller diese Verbindung selbst herstellt, wenn er den Satz hört. Frau Müller
versetzt sich also in ihren Mann und trift eine Annahme über seinen aktuel-
len Wissensstand, um dann bei der Produktion des Satzes auf die Erwäh-
nung der Balkonaufgabe zu verzichten. Sie simuliert also seinen aktuellen
»mentalen Zustand« in ihrem eigenen Kopf und stimmt ihre Äußerung auf
diesen angenommenen mentalen Zustand ihres Mannes ab. Ihr Ziel ist es,
auf die bestmögliche Weise die Terminabsprache zu erreichen - bestmöglich
im Hinblick auf kommunikativen Aufwand, aber auch mit Rücksicht auf Ver-
ständlichkeit und Angemessenheit der Äußerung.
Eine weitere Annahme über den mentalen Zustand ihres Mannes ist in der
Äußerung enthalten: Sie sagt » die Renovierung« und nicht » eine Renovier-
ung«, und damit signalisiert sie ihrem Mann, dass ihm diese Renovierung
bekannt ist, er also in seinem Gedächtnis danach suchen soll, um welche
Renovierung es sich handelt und was damit alles verbunden ist. Sie nimmt
also mit ihrer Äußerung Bezug auf einen bestehenden Gesprächszusam-
menhang, sprachwissenschaftlich gesprochen auf einen Kontext . Auch Zeit
und Ort tragen zum Kontext bei, denn der Satz würde ein Jahr früher und
am Urlaubsort von Frau Müller geäußert vermutlich unverständlich sein.
Herr Müller antwortet seiner Frau: »Morgen und übermorgen bin ich doch
auf Dienstreise.« Damit zieht er die Schlussfolgerung, auf die Frau Müller
abgezielt hat, und antwortet auf die Frage nach dem Termin, die Frau
Müller gar nicht gestellt hat. Dazu hat auch Herr Müller Annahmen über
den aktuellen mentalen Zustand seiner Frau getrofen, etwa darüber, was
sie mit ihrem Satz bei ihm erreichen wollte. Mit seiner Äußerung erwartet
Herr Müller wiederum, dass auch seine Frau eine Reihe von unausge-
sprochenen Schlussfolgerungen ziehen kann: Er lehnt die Balkonaufgabe
nicht als solche ab, er verweist darauf, dass sie von seiner Dienstreise weiß
(»doch«), er setzt voraus, dass seine Frau weiß, dass man während einer Di-
enstreise zuhause nichts erledigen kann und so weiter. Die Kommunikation
entwickelt sich also als ein ständiges Aktualisieren des eigenen Wis-
 
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