Information Technology Reference
In-Depth Information
Sehen wir uns nun an, was in unseren Köpfen beim Schreiben passiert. Das
Lesen ist psychologisch viel besser untersucht als das Schreiben, und das
liegt daran, dass das Lesen eine einfachere, besser isolierbare kognitive
Tätigkeit ist. Beim Schreiben geht es ja nicht nur darum, Wörter oder Sätze
zu Papier zu bringen oder in den Computer zu tippen, der Schreiber muss
auch den Inhalt planen, die richtige Textsorte wählen, eine Vorstellung vom
Aufbau des Textes entwickeln, formulieren, redigieren, korrigieren - und das
alles nicht eins nach dem anderen, sondern in ständigen Schleifen und Rück-
griffen auf frühere Phasen. Die Schreibforschung besteht deshalb zu einem
wichtigen Teil darin, alle diese ineinandergreifenden Prozesse in Modellen
miteinander zu verbinden. 40 Besondere Schwierigkeiten bereitet es dabei,
die inhaltliche Seite des Schreibprozesses zu erfassen. Man kann sich zwar
leicht irgendetwas dazu überlegen, was für kognitive Systeme und Prozesse
dabei eine Rolle spielen, direkt nachweisen lässt sich das aber kaum. In de-
tektivischer Kleinarbeit wird beispielsweise versucht, die Rolle des Weltwis-
sens beim Schreibprozess zu ermitteln und die Frage zu klären, ob man
überhaupt die inhaltliche Seite des Schreibens von der sprachlichen klar
trennen kann.
Eine andere Frage ist die, inwieweit der Schreibprozess automatisiert ver-
läuft. 41 Es ist ja klar, dass wir lange Jahre in der Schule damit verbracht
haben, im Schreiben geläuig zu werden, um uns immer mehr auf den Inhalt
konzentrieren zu können als auf die Form. Auf der anderen Seite bleibt es
auch bei einem geübten Schreiber immer so, dass er sich beim Schreiben
ganz bewusst für das eine oder andere Wort, für die eine oder andere
Satzkonstruktion oder Argumentationsstruktur entscheidet. Und erst recht
gilt das dort, wo gelernte Regeln einzuhalten sind, zum Beispiel bei Rechts-
chreibung und Interpunktion. Bei der Erforschung des Schreibprozesses
müssen sich die Wissenschaftler deshalb auf Teilbereiche konzentrieren, in
denen überhaupt die Aussicht darauf besteht, ein belastbares Ergebnis zu
erzielen. Die Beobachtung der Prozesse beim Schreiben mit der Hand sind
so ein Bereich 42 oder die forensische Schreibforschung. Das ist die Unter-
suchung von Texten hinsichtlich ihrer Echtheit, der Identiikation des
Schreibers oder von Entstehungsbedingungen. Es geht also um eine
Ermittlungsarbeit zu Texten, über die man mehr erfahren will - eine mög-
licherweise gefälschte Urkunde zum Beispiel, ein Plagiat, ein Erpresserbrief,
die angeblichen Hitler-Tagebücher. 43
 
Search WWH ::




Custom Search