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Ein dritter Bereich, der gut zu untersuchen und zugleich besonders
wichtig ist, ist der des Erlernens von Lesen und Schreiben. Kindern in der
Schule diese Kulturtechniken beizubringen, setzt nämlich bei der Lehrerin
oder dem Lehrer eine Vorstellung davon voraus, in welchen Stadien sich
dies vollzieht und welche grundlegenden Fähigkeiten dabei genutzt werden.
Dies schlägt sich auch in Lehrplänen nieder (oder sollte es). Grundsätzlich
wird bei der Betrachtung des Schriftspracherwerbs nicht zwischen Lesen
und Schreiben unterschieden. »Lesen durch Schreiben« lautet die Devise. 44
Modelle des Schriftspracherwerbs unterscheiden verschiedene Phasen, die
Kinder durchlaufen. 45 Fünf davon gibt es in dem bekannten Modell von
Klaus B. Günther: 46 Zunächst eine vorbereitende Phase, bei der es um die
Verwendung bildlicher Darstellungen und Symbole geht. Dann drei Phasen,
in denen das Kind von einem ganzheitlichen, oft falschen Wortverständnis
über das Buchstabieren zu einem orthograischen Wortverständnis gelangt.
In der fünften Phase erreicht das Kind schließlich durch die Ausprägung
automatisierter Prozesse Sicherheit im Lesen und Schreiben. Das ist das
Stadium, in dem sich jeder geübte Leser und Schreiber beindet.
Überlegungen, wie sich das Erlernen von Lesen und Schreiben bei
Kindern vollziehen mag, haben eine lange Tradition. Neuere Forschungen
betrachten das Schreibenlernen als einen Prozess des Kompetenzerwerbs,
der sich in bestimmten Phasen vollzieht. 47 Neu ist hingegen die Frage, wie
neben diesen grundlegenden Fähigkeiten auch auf den Text bezogene
Schreibfähigkeiten aufgebaut werden. Praktisch indet dies zwar im Auf-
satzunterricht in der Schule schon seit langem statt. Doch erst mit der
Erkenntnis, dass wir nicht Wörter oder Sätze schreiben, sondern immer gan-
ze Texte, wurde diese Frage zu einem Gegenstand der Forschung. Der
Gießener Linguist und Didaktiker Helmuth Feilke hat herausgefunden, dass
sich auch dieser Bereich des Schriftspracherwerbs in Phasen vollzieht. 48
Junge Schreiblerner orientieren sich in der ersten Phase beim Textaufbau
zunächst am eigenen Erleben, um danach in der zweiten Phase ab etwa
zwölf Jahren stärker eine aus dem Gegenstand hervorgehende Logik des
Schreibens auszuprägen, beispielsweise bei der Beschreibung eines Ge-
bäudes, das man gedanklich durchschreitet. In der dritten Phase, mit etwa
15 bis 16 Jahren, treten Elemente einer formalen Ordnung des Textes hinzu,
beispielsweise als Pro-und-Contra-Argumentation oder als Aufzählung von
inhaltlichen Punkten. In der vierten Phase schließlich wird die Fähigkeit er-
worben, einen Text wie einen inneren Dialog mit einem gedachten Leser zu
gestalten, so dass die Gestaltungselemente des Textes auf dessen Erwartun-
gen und Voraussetzungen abgestimmt sind. Mit dem Durchlaufen dieser
 
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