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sie als das, was sie sind. Sehen Sie sich einmal an, was Sie in Magazinen
alles an Textdesign inden! Farben, Flächen, Formen, Rahmen, Muster und
Zeichen werden als Kraftwerk genutzt, um zusätzliche Bedeutungsenergie
zu produzieren, auch ästhetische Energie. 28 Texte sind nicht nur das, was
sprachlich in ihnen steckt, sondern auch das, was wir an Nicht-Sprachlichem
in ihnen sehen.
Sehr gut kann man sich die Entwicklung des Textdesigns am Beispiel der
Tageszeitung ansehen. Die allerersten überlieferten Zeitungen, die
Straßburger Relation und der Wolfenbütteler Aviso aus dem Jahre 1609, 29
bestanden, wie alle Zeitungen der nächsten zweihundert Jahre, aus durch-
laufendem Text, so dass sie kaum anders als gedruckte Bücher aussahen.
Nach und nach wurden einzelne Wörter durch Sperrung hervorgehoben,
woraus sich Überschriften entwickelten. Erst im 19. Jahrhundert ging man
zu einem zweispaltigen, später drei- oder mehrspaltigen Textdesign über.
Aber auch hier waren die Artikel noch sequenziell angeordnet. Erst im 20.
Jahrhundert entstand das uns heute vertraute Bild einer Tageszeitung. Je
nach Länge und Wichtigkeit gibt es darin ein- und mehrspaltige Artikel, die
als inhaltliche Flächen auf der Seite liegen. Sie besitzen untereinander keine
genaue Reihenfolge, sind aber auf der Seite nach inhaltlichen Gesichtspunk-
ten und nach Wichtigkeit gruppiert.
Es ist erstaunlich, wie lange diese Entwicklung bei der Zeitung gedauert
hat. Ähnliches ist auch bei ganz anderen Arten von Texten zu beobachten,
etwa bei Lehrbüchern, bei Grammatiken oder bei Kochbüchern. In der
Sprachwissenschaft spricht man hier von »Textsorten«. Die Textsorte »Zei-
tung« weist bestimmte inhaltliche, sprachliche und visuelle Merkmale auf,
die es uns leicht machen, als Leser täglich mit einer Zeitung umzugehen.
Wir wissen genau, wo uns was erwartet, wir wissen, dass uns die Übers-
chriften und die »Anreißer« darunter Vorabinformationen zum Artikel geben
und wir dann erst entscheiden brauchen, ob wir den Artikel lesen oder nicht.
Wir erwarten eine bestimmte Anordnung der Artikel auf der Seite und in der
gesamten Zeitung. Die Artikel selbst sind Teiltextsorten der Textsorte Zei-
tung, denn auch in ihnen werden ganz bestimmte Darstellungsregeln befolgt
- sprachlich, stilistisch und bezüglich des Aufbaus. Textsorten erleichtern
uns also den Umgang mit Texten enorm, weil sie durch solche Ord-
nungssysteme Orientierung im Bedeutungsdschungel geben. Für den Leser
verringert diese Orientierung den geistigen Aufwand, an einen Text heran-
zutreten, denn er weiß bereits, auf was er achten muss und was eher un-
wichtig ist. Auch für den Verfasser eines Textes bilden die Regeln einer
Textsorte eine Richtschnur, die ihn durch den riesigen Raum an Möglich-
 
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