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wendet wurden, hätte diese Schreibweise durchaus ihren Sinn gehabt. Sie
wurden horizontal gerollt, wie man es noch heute bei der Thora in Syn-
agogen sehen kann. Für beide Methoden gab es auch Varianten, in denen
links und rechts vertauscht waren. Sogar eine dritte Alternative wurde noch
im antiken Griechenland praktiziert: Das Schreiben in wechselnden Zeilen -
zuerst von links nach rechts, in der nächsten Zeile von rechts nach links,
dann wieder von links. Nicht nur die Wörter wurden in jeder zweiten Zeile in
der umgekehrten Reihenfolge angeordnet, sondern jeder einzelne Buch-
stabe, und zwar spiegelverkehrt. 26 Diese boustrophedon genannte Methode
(darin steckt altgriechisch bous »Rind« und strophē »Wendung«, das Hin-
und Herlaufen eines Ochsen beim Plügen eines Ackers ist damit sinnbildlich
gemeint) mag zwar für den Schreiber recht efizient sein, für den Leser ist
sie jedoch aufwändig, weil Wortbilder weniger leicht erkannt werden
können. Durchgesetzt hat sie sich in keiner Schreibkultur.
Die Zweidimensionalität der Schreibläche war also schon immer eine
Herausforderung. 27 Die Optimierung der Schriftart, die Aufteilung der Buch-
stabenkette in einheitliche Zeilen und die Aufnahme von Leerzeichen sind
Verfahren, um die Lesbarkeit eines Textes zu erhöhen. Zugleich bietet die
Fläche aber auch die Möglichkeit, Informationen in den Text aufzunehmen,
die sich jenseits des Sprachlichen beinden. Allein durch die verwendete
Schrifttype kann beispielsweise zusätzliche Bedeutung ausgedrückt werden.
Ob ich das Wort »Deutschland« in Frakturschrift darstelle ( ), in
einer futuristischen Schriftart ( ) oder eher verspielt (
), kommt etwa auf einem Wahlplakat für die Bundestagswahl
einer politischen Aussage gleich. Sprachlich genau fassen lässt sich diese
Aussage aber nicht so einfach.
Weniger augenfällige Darstellungselemente lassen sich in jedem Text ind-
en, wenn es etwa um dessen Gliederung geht. Absätze sind geometrische
Einheiten in einem Text, die Sinneinheiten markieren. Überschriften sind ty-
pograisch herausgehobene, selten mehr als zwei Zeilen umfassende Ab-
sätze, die wir als Themensetzung für die nachfolgenden Absätze begreifen.
Beschriftungen, Legenden, Fuß- und Endnoten, Schlagwortregister und Lit-
eraturlisten - bei alldem wird die Flächigkeit des Textmediums genutzt, um
über rein sprachlich darstellbare Bedeutung hinauszugehen. Der Text wird
zusätzlich mit Bedeutung aufgeladen durch visuelle Darstellungsmittel, die
gar nicht sprachlich ausgedrückt werden können, es sei denn, wir benennen
 
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