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Schrift kann als das Ur-Medium überhaupt angesehen werden. Ges-
chriebenes wird auf einem Objekt ixiert, um dieses Objekt lagern, aufstel-
len, transportieren oder weitergeben zu können. Das lateinische Wort »me-
dium« kennzeichnet genau dies: es bedeutet »Mitte« oder »das in der Mitte
gelegene«, und der Brief, den wir per Post verschicken, ist also schon in
diesem Sinne ein »medium«, etwas, das zwischen zwei Menschen liegt und
diese zugleich verbindet. Darin sind schon die zentralen Fragen enthalten,
die mit jedem Mediensystem beantwortet werden müssen: Wie wird das Me-
dium, der geschriebene Text, produziert? Wie wird er gegebenenfalls
kopiert? Bei der Schrift traditionell durch die Kulturtechnik des Schreibens.
Wie geschieht die Aufnahme der durch das Medium übermittelten Informa-
tion? Die Rezeption geschieht durch die Kulturtechnik des Lesens. Wie wird
das Medium, der Text, versendet und verteilt? Auf dem Wege des physischen
Transports, zum Beispiel per Schif oder per Post. Wie hoch sind die Kosten?
Ursprünglich sehr hoch, denn das alles geschah in Handarbeit, dauerte
lange und benötigte teure Materialien.
Man kann sich dies gut vergegenwärtigen anhand mittelalterlicher
Manuskripte. Hunderte von Seiten umfassende Folianten wurden hands-
chriftlich kopiert und mit Buchmalereien verziert. Anders als heute, wo per
Hand fast nur noch für den Eigenbedarf geschrieben wird, wurden die
Manuskripte in den Skriptorien der Klöster für die Liturgie, für Ausbildung
und Evangelisation und vor allem für die Nachwelt geschrieben. 23 Beson-
ders wichtig war deshalb die Lesbarkeit der Texte. Schon früh wurden in der
antiken und mittelalterlichen Manuskriptkultur Schrifttypen entwickelt, die
dies gewährleisten sollten. 24 In den Jahrhunderten zuvor war auch immer
wieder die Art und Weise, wie die Schriftzeichen aneinandergereiht werden,
modiiziert worden. Die letzte Errungenschaft hatte ab dem 7. Jahrhundert
darin bestanden, die einzelnen Wörter des Textes durch Zwischenräume
voneinander abzugrenzen. Dadurch konnten die Wörter als Sinneinheiten
des Textes deutlicher hervorgehoben und der Leseluss unterstützt werden.
Im 12. Jahrhundert war diese Entwicklung abgeschlossen, und sie ging ein-
her mit der Fähigkeit, einen Text stumm lesen zu können. In der Antike war
Lesen nämlich gleichbedeutend mit lautem Lesen gewesen. 25
In der europäischen Antike hatte man sich auch entschieden, Texte in hori-
zontalen Zeilen von links nach rechts zu schreiben. Das war keine Selbstver-
ständlichkeit - in anderen Schriftkulturen, etwa in Japan, gibt es bis heute
die Alternative, in vertikalen Zeilen von oben nach unten zu schreiben und
mit den Zeilen den Text von rechts nach links aufzubauen. In Schriftrollen,
die vor der »Erindung« des Buchs in der Spätantike jahrhundertelang ver-
 
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