Information Technology Reference
In-Depth Information
Wirtschaft um sich, wo es um verwertbare Erkenntnisse über das Nutzerver-
halten geht.
Eine damit verwandte Aufassung ist die, dass nicht nur Computer oder
Menschen netzartig miteinander verbunden sind, sondern auch das Wissen
selbst. Im Gegensatz zu der hierarchischen Wissenskonzeption der
Schriftkultur tragen bei der Idee der Vernetzung des Wissens die Art und
Menge der Verbindungen einer Information zu anderen Informationen
entscheidend zu ihrem Wert bei. Statt eines gewandelten Briefgeheimnisses
scheint sich außerdem die Idee eines umfassenderen Kommunikationsge-
heimnisses zu entwickeln. Mit diesem Konzept kann auf die Analysemöglich-
keiten reagiert werden, die sich aus der technischen Vernetzung ergeben.
Allein aus der maschinellen Analyse von Kommunikationsvorgängen, etwa
der gesammelten E-Mail-Korrespondenz einer Person oder den Nutzungs-
daten von sozialen Netzwerken, können Rückschlüsse auf ihren Inhalt und
ihre Relevanz gezogen werden, ganz ohne das Briefgeheimnis selbst zu
brechen. Die digitalen Datennetze machen es also erforderlich, den Nutzern
ein Recht darauf zuzugestehen, ihre Kommunikationsakte als solche un-
erkannt zu lassen. Und schließlich hängt damit auch die Idee einer Block-
adefreiheit netzbasierter Kommunikation zusammen. Damit ist die Aufas-
sung gemeint, in Anlehnung an die Ächtung der Zensur ein Anrecht auf eine
generelle Durchleitung von Informationen durch das Netz zu erhalten.
Die Schriftkultur hat in Jahrhunderten bestimmte Aufassungen und Werte
hervorgebracht, die unser kulturelles und gesellschaftliches Selbstverständ-
nis prägen. Kommt die traditionelle Schriftkultur nun an ihr Ende, ver-
schieben sich auch diese Aufassungen und Werte, wie es heute in Ansätzen
schon zu erkennen ist. Neue Konzepte entstehen, andere verschwinden
ganz. Dieser Prozess wird aber nicht nur von uns Menschen betrieben, son-
dern auch Computer und ihre Algorithmen entscheiden längst darüber mit.
Auch Werte sind Meme, sich evolutionär entwickelnde kulturelle Rep-
likatoren, die in einer geeigneten Umwelt besonders gut gedeihen. Die Di-
gitalkultur wird Werte fördern, die an die Selektions- und Reproduktions-
bedingungen einer digitalen Umwelt besser angepasst sind, typische Werte
der Schriftkultur werden demgegenüber ins Hintertrefen geraten. Mit der
Frage, wohin wir auf diesem Weg einmal gelangen werden, ist die Grenze
der Prognostizierbarkeit allerdings erreicht.
 
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