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wieder auf ihre Anwendbarkeit hin überprüft werden. Aber es darf nicht
passieren, dass derartige Regelungen pauschal verworfen werden, nur weil
sie in der gegenwärtigen Phase des Wandels als nicht praktikabel erschein-
en, ohne dass sie zuvor vernünftig in die Digitalkultur übertragen worden
sind.
Wie sich das Wertesystem der Schriftkultur ändert, kann man besonders
gut in der Wissenschaft sehen. In diesem kulturellen Teilbereich hat sich
beispielsweise eine gewandelte Aufassung von Autorschaft eingestellt -
nicht etwa aufgrund der öfentlich wahrgenommenen Plagiatsfälle in den let-
zten Jahren, sondern in Gestalt des gemeinsamen Abfassens von wis-
senschaftlichen Artikeln. Diese werden in den experimentellen Naturwis-
senschaften zuweilen von mehreren Dutzend »Autoren« verfasst, wobei fakt-
isch eine Art Redakteur die wissenschaftlichen Ergebnisse in Textform
bringt. Trotzdem werden die auf der Titelseite genannten Personen als wis-
senschaftliche Autoren anerkannt. Dass auch die Unveränderlichkeit des
publizierten wissenschaftlichen Textes mittlerweile brüchig geworden ist,
haben wir bereits am Beispiel der Online-Zeitschrift
Plos One
in Abschnitt
9.4 gesehen. Die Bedeutung eines solches Textes wird zunehmend kom-
munikativ konstruiert, wobei das Reagieren auf Kommentare und die Kor-
rektur von Fehlern eine wichtige Funktion einnimmt.
Nicht mehr Autorschaft und Publikationsorgan bestimmen die Geltung
eines wissenschaftlichen Textes allein, sondern auch der fachliche Diskurs,
den er anstößt und der sich in ihm selbst niederschlägt. Das alles relativiert
die Rolle des Textes in der Wissenschaft. Zusätzlich angetrieben wird dieser
Prozess durch neue Vermittlungsformen für wissenschaftliche Informationen
wie etwa Präsentationen, Repositorien mit Forschungsdaten oder Blogs als
eine eigenständige netzbasierte Textsorte.
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Neben diesen Phänomenen des Wandels zeichnen sich aber auch Ideen ab,
die sich nach und nach als ganz neue Wertvorstellungen in der Digitalkultur
stabilisieren könnten. Dies ist zum einen die
Big Data
-Idee, die Idee, dass in
großen Datenmengen verborgene Zusammenhänge stecken, die aufgedeckt
und genutzt werden können. Bezogen auf textuelle Daten steckt dahinter die
Aufassung, dass eine sehr große Textsammlung, ein Korpus, Erkenntnisse
enthält, die in den einzelnen Texten explizit nicht vorhanden sind. Nur die
maschinelle Analyse des Korpus kann diese Erkenntnisse zutage fördern.
Diese Aufassung greift in der Wissenschaft, aber auch in der Internet-