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Form durch Print on Demand -Dienste geschieht, seine Aura verloren. Nicht
nur dadurch, dass ein Text publiziert wird, erhält er Bedeutung, sondern
auch durch die Intensität, mit der er im Netz verlinkt, zitiert, kommentiert
und kopiert wird. Aber auch heute spielt es noch immer eine Rolle, wo pub-
liziert wird. Der konventionelle Vertriebsweg eines Buchs mit seiner Reson-
anz in den Massenmedien wirkt auf seine Verbreitung im Netz zurück. Die
Wege der Aufmerksamkeitsgewinnung diferenzieren sich ofenbar immer
weiter und treten in vielfältige Wechselwirkungen miteinander. 357
Selbst das Wissen erhält eine andere Struktur: Leitbild für das Wissen ist
nicht mehr die Bibliothek, in der die Bücher nach Sachgebieten geordnet
sind, oder die Enzyklopädie mit ihren Ordnungs- und Verweissystemen, son-
dern die Suchmaschine, durch die wir über Schlüsselwörter Informationen
aufinden können, ohne dass diese in übergreifende Zusammenhänge
eingeordnet sind.
Es gibt Konzepte der Schriftkultur, die so wichtig geworden sind, dass sie
den Status von Gesetzen erlangt haben. Das ist etwa beim Urheberrecht der
Fall. In diesem Rechtsbegrif ist die traditionelle Schriftkultur besonders gut
zu erkennen und die Diferenz zur digitalen Gegenwart besonders groß. Das
bedeutet keineswegs, dass das Urheberrecht nicht etwa weiterhin benötigt
würde. Es muss aber angepasst werden an die Bedingungen der digitalen
und vernetzten Nutzung von Texten, an die immaterielle Existenz von Texten
und ihre unbegrenzte, kostenlose Kopierbarkeit. Das hybride, multimediale
und soziale Lesen und Schreiben muss vom Urheberrecht erfasst werden,
soll es nicht von innen heraus ausgehöhlt und irgendwann von digitalen
Nutzungspraktiken verdrängt werden, die zuvor schon die Musikindustrie
zerstört haben und mittlerweile auch die Zeitungsverlage angreifen.
Andere sich wandelnde Konzepte der Schriftkultur werden in der Di-
gitalkultur rechtlich ebenfalls nicht mehr vollständig erfasst, wenn man et-
wa an das Briefgeheimnis, die Pressefreiheit oder die zumindest in den west-
lichen Demokratien anerkannte Ablehnung der Zensur denkt. Für all diese
Konzepte scheinen in letzter Zeit die dafür vorgesehenen Rechtsgebilde
nicht mehr richtig zu greifen: Das Ausspähen von E-Mail- und Handy-Kom-
munikation durch ausländische Geheimdienste hat keine strafrechtlichen
Konsequenzen, die Veröfentlichung von Informationen darüber führt zu
Zwangsmaßnahmen gegenüber Zeitungsredaktionen (wie es bei der brit-
ischen Zeitung The Guardian geschehen ist 358 ) , und die Frage nach Zensur
im Netz wird, abhängig von tagespolitischer Opportunität, zuweilen radikal
bejaht. Es geht mir nicht darum, diese Rechtsbegrife unbedingt in ihrer
»reinen« Form zu erhalten. Auch sie müssen weiterentwickelt und immer
 
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