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Seitdem ich begonnen habe, dieses Buch zu schreiben, sind mehrere Büch-
er zu der Frage erschienen, wie die Digitalisierung und das Internet heute
unsere Lebenswelt verändern. Während Mercedes Bunz, Ossi Urchs und Tim
Cole in ihren Büchern 354 einen eher positiven Grundton anschlagen, sind die
Prognosen von Roland Reuss, Jaron Lanier und Evgeny Morozov 355 weitaus
pessimistischer und kritischer. Allen ist dabei gemeinsam, oft im Ungefähren
zu bleiben, wenn es darum geht, die Dynamik der kulturellen und gesell-
schaftlichen Auswirkungen des technologischen Wandels im Einzelnen zu
beschreiben. Ich habe deshalb im vorliegenden Buch die ganz konkreten
Veränderungen der grundlegenden Kulturtechniken des Lesens und
Schreibens in den Blick genommen, die nach und nach weitere Veränderun-
gen auf der Ebene von Infrastrukturen und Institutionen hervorrufen wer-
den. Nur so kann man, meine ich, den kulturellen Wandel tatsächlich er-
fassen und die aktuellen Entwicklungen zumindest ein Stück weit in die
Zukunft projizieren. Dabei helfen einem weder Technikoptimismus noch -
pessimismus weiter. Ein Technikskeptizismus, der Digitalisierung und Ver-
netzung weder verteufelt noch in ihnen zwangsläuig einen Fortschritt sieht,
scheint allerdings angebracht zu sein. 356 Die Digitalkultur wird insgesamt
nicht besser oder schlechter sein als das, was wir bislang kannten, sondern
vor allem anders . Und die Probleme mit dem Anderssein sind es, worum es
in vielen Diskussionen zu diesem Thema eigentlich geht.
Ein letzter Schritt fehlt allerdings noch. Der Wandel von der Schriftkultur
zur Digitalkultur vollzieht sich nicht nur durch Kulturtechniken, Infrastruk-
turen und Institutionen, sondern verändert auch das gesamte System von
Werten und Konzepten, mit denen eine Gesellschaft ihren Mitgliedern in der
Welt Orientierung bietet. Ein Buch wird nicht etwa deshalb als wertvoll an-
gesehen, weil es Schrift enthält, sondern weil es in der Schriftkultur über
einen sehr langen Zeitraum hinweg sehr teuer war, ein Buch herzustellen.
Der kulturelle Wert eines Buchs spiegelte bislang diese gesellschaftliche In-
vestition wider. Lesen galt als ein Wert an sich, weil dies mit dem Erwerb
von Bildung gleichgesetzt wurde. Und Schreiben wurde als eine kontemplat-
ive Tätigkeit angesehen, durch die wertvolles Wissen und Erkenntnis ge-
wonnen werden konnten. Das hat sich geändert: Bücher haben sich in
Gestalt des E-Books von ihrer materiellen Erscheinung gelöst, gelesen wird
im Internet und auf Smartphones ständig, und durch halbautomatisch
geschriebene Nachrichten und vollautomatisch schreibende Programme ist
das Schreiben in den Alltag eingebettet und verbindet Menschen und
Maschinen nahezu ununterbrochen miteinander. Das Publizieren von Texten
hat durch die Leichtigkeit, mit der dies im Netz, aber auch in gedruckter
 
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