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Natürlich haben Schrift und Sprache sehr viel miteinander zu tun, doch gibt
es genug Punkte, die eine Trennung rechtfertigten. Da sind einerseits die
Unterschiede, die sich aus dem Medium Schrift selbst ergeben: 18 Schrift be-
steht aus einzelnen Einheiten, die klar als solche erkennbar sind, und mit
diesen Einheiten wird oftmals auf etwas verwiesen, was gar keinen Bezug
zur gesprochenen Sprache hat. Geschriebenes hat außerdem meistens eine
andere Funktion als Gesprochenes: Durch Schrift werden Informationen
durch Zeit und Raum transportiert, gesprochene Sprache vollzieht sich -
jedenfalls ohne technische Hilfsmittel - im Hier und Jetzt.
Von praktischer Seite viel interessanter sind aber die Unterschiede, die
sich für die Sprache selbst ergeben. Wenn man sich nämlich ansieht, wie
sprachliche Äußerungen beschafen sind, dann lassen sie sich keineswegs
unmittelbar einer schriftlichen oder mündlichen Erscheinungsweise
zuordnen. Eine scheinbar typische Äußerung der gesprochenen Sprache wie
»Hey du Spinner was willstn?« kann auch im Chat gefunden werden, eine
scheinbar typisch schriftliche wie »Der Antrag auf Akteneinsicht beim
zuständigen Amtsgericht muss unverzüglich gestellt werden« in einem Ge-
spräch unter Rechtsanwälten. Peter Koch und Wulf Oesterreicher diferen-
zieren deshalb die Begrife »schriftlich« und »mündlich« jeweils durch zwei
Varianten: medial und konzeptionell. 19 Medial schriftlich ist etwas, was tat-
sächlich durch Schrift visuell vermittelt wird, ein Zeitungsartikel etwa,
konzeptionell schriftlich das, was mehr oder weniger die typischen Ei-
genschaften von Schriftlichkeit aufweist, selbst dann, wenn es nicht im Me-
dium der Schrift vermittelt wird. Ein Gesetzestext ist beispielsweise im Me-
dium der Schrift verfasst, - also medial schriftlich. Zugleich ist er aber auch
konzeptuell schriftlich, da bei Gesetzen keine Rücksicht darauf genommen
wird, ob sie unter den Bedingungen der Mündlichkeit verständlich sind: Sie
bestehen aus langen, verschachtelten Sätze, beinhalten komplizierte Sub-
stantivgruppen und besitzen keinen persönlichen Bezug zum Leser oder
Autor. Gesetze sind nur zum Lesen gedacht, und das prägt sie auch auf der
sprachlichen Ebene.
Mediale und konzeptionelle Schriftlichkeit müssen aber keineswegs
zusammenfallen, und das sind die besonders interessanten Fälle. Eine
Predigt etwa wird medial mündlich produziert, weist oft aber konzeptionell
schriftliche Merkmale auf. Bei SMS-Kommunikation verhält es sich genau
umgekehrt: Medial ist sie schriftlich, konzeptionell aber meistens mündlich.
Dabei spielt keine Rolle, dass die Predigt schriftlich vorbereitet und dann
abgelesen wird, wichtig ist, dass man sie hört und nicht liest. Der Grund
dafür ist ganz einfach: Wenn wir in direktem Kontakt mit einer vertrauten
 
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