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gemessener? Überlegt man sich, wie dieses Verhältnis aussehen soll, stellen
sich sofort weitere Fragen: In welcher sozialen Gruppe vollzieht sich ein Stu-
dium überhaupt? Was ist der Stellenwert des Mündlichen? Soll das Lehrges-
chehen in Vorlesung und Seminar »vergänglich« sein oder aufgezeichnet
werden und für alle Zeit im Netz verfügbar bleiben? Hat die Vergänglichkeit
der Präsenz einen didaktischen Sinn? Sollten Universitäten nicht miteinan-
der verbunden werden, um die immer gleiche Routinelehre efizienter or-
ganisieren zu können, als Verbindung von Online- und Oline-Elementen?
Sind die Fächergrenzen eigentlich noch aufrechtzuerhalten, wenn diese sich
doch vor allem aus überkommenen räumlichen Gliederungen von Insti-
tutsgebäuden und Bibliothekssystematiken herleiten? Wie müssen wahrhaft
interdisziplinäre Studiengänge aufgebaut sein?
Vor dem Hintergrund derartiger Fragen sind Entwicklungen zu bewerten,
universitäre Lehre vollständig ins Internet zu verlegen. Im kleineren Rah-
men wurde dies vereinzelt schon früher angestrebt, mit den Massive Open
Online Courses (MOOC) geschieht es seit einigen Jahren in größeren Dimen-
sionen. Während bei den früheren E-Learning-Ansätzen zumeist eine Tutori-
erung durch einen realen Menschen vorgesehen war, gewinnen in MOOCs
auch vollautomatische analytische Verfahren, die im Hintergrund der An-
wendung laufen, größere Bedeutung. Auf der Grundlage der dabei ermittel-
ten Daten, die nicht nur die Antworten des Lernenden auf Fragen umfassen,
sondern auch die Beantwortungsgeschwindigkeit und überhaupt den ges-
amten Umgang mit der Lerneinheit am Computer bis hin zu Konzentration
und Fleiß dokumentieren, werden dem Lernenden Rückmeldungen zu
seinem Lernfortschritt gegeben.
Es ist klar, dass dabei nur Reaktionen auf das erfolgen können, was bei der
Programmierung zuvor als mögliches Ergebnis berücksichtigt worden ist.
Und auch der Lernende selbst stellt sich auf das ein, was er vom System als
automatisiertes Feedback zu erwarten hat. Es ist äußerst fraglich, ob in
einem solchen Kreislauf komplexe Lernprozesse stattinden können und
nicht eher nach und nach eine gegenseitige Konditionierung der Verhaltens-
weisen von Mensch und Lernsystem zu verzeichnen ist.
Zwei weitere negative Phänomene, die sich zu Kreisläufen zusammen-
zuziehen drohen, hat die Digitalisierung an Universitäten bereits hervorgeb-
racht. Zum einen das Plagiat: Wenn jeder publizierte wissenschaftliche Texte
im Internet verfügbar ist und gefunden werden kann, ist die Schwelle
niedrig, bei eigenen Schreibproblemen auf das bereits Geschriebene ander-
er zurückzugreifen. Auch wenn Plagiate in Doktorarbeiten seit der
Guttenberg-Afäre in der öfentlichen Wahrnehmung sehr präsent sind, gibt
 
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