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Um eine Koevolution von Genen und d-Memen beobachten zu können, ist
der digitale Replikator noch viel zu kurzzeitig in der Welt. Wir können aber
durchaus mit Recht danach fragen, ob es eine Koevolution von d-Memen und
n-Memen gibt. Dies würde bedeuten, dass bestimmte n-Meme sich erfol-
greicher reproduzieren können, wenn sie eine Verbindung mit d-Memen
eingehen, also mit einer bestimmten Sequenz digitalen Codes, der dadurch
seinerseits einen Selektionsvorteil erwirbt. Dafür lassen sich durchaus
Belege inden: Sprachen unterliegen einem evolutionären Wandel; für
bestimmte Sachverhalte gibt es mehrere Wörter (zum Beispiel »Junge«/
»Bursche« und »Mädchen«/»Mädel«) und dialektale Aussprachevarianten.
Mit der Verschriftlichung einer Sprache werden viele dieser Varianten
zurückgedrängt, weil die Schriftsprache eine Tendenz zur Standardisierung
in sich trägt. Trotzdem bleiben manche Varianten erhalten, denn die ge-
sprochene Sprache übt auch weiterhin einen wichtigen Einluss aus. All das
spielt sich im Bereich der n-Meme ab und lässt sich sprachwissenschaftlich
nachvollziehen.
Die Digitalisierung der schriftlichen Kommunikation wäre nun mit der
These verbunden, dass digital kodierte Wörter sich besser durchsetzen, also
reproduzieren können als nicht digital kodierte, da sie leichter und fehlerfrei
kopiert, in Netzwerken verschickt und automatisch verarbeitet werden
können. Die Rechtschreibkorrektur in einem Textverarbeitungsprogramm et-
wa wird automatisch bestimmte Versionen des Wortes »selektieren«, andere
als falsche oder dialektale Formen kennzeichnen und dadurch in ihrem Re-
produktionserfolg einschränken. In der Digitalkultur müssten demnach die
dialektal und regional geprägten Varianten von Wörtern stärker in ihrer Ex-
istenz bedroht sein als in der nicht-digitalen Schriftkultur, die Standardfor-
men noch stärker begünstigt werden. Die dominanten Wörter, die sich als d-
Meme erfolgreicher reproduzieren können (also etwa die digitalen Kodierun-
gen von »Junge« und »Mädchen«), beinden sich somit in einer symbiot-
ischen Beziehung zu den entsprechenden Wörtern als n-Meme (den binären
Zeichensequenzen für »Junge« und »Mädchen«), und diese können sich in
den Köpfen der Menschen gegenüber weniger gebräuchlichen Wörtern (et-
wa »Bursche« und »Mädel«) durchsetzen.
Derartige Fragestellungen werden in der Linguistik bislang nicht system-
atisch untersucht, doch gibt es mittlerweile die Instrumentarien, die man für
solche Untersuchungen benötigt. Auch auf anderen Ebenen der Sprache, bei
Inhalten und Verwendungsweisen, sollten sich die zusätzlichen oder gegen-
läuigen evolutionären Kräfte, die durch die Digitalisierung entstehen, nach-
weisen lassen. Wenn das gelingt, wäre gezeigt, dass d-Meme, die ja (im Falle
 
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