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Gesehenem, Gehörtem oder Praktiziertem enthalten ist. 283 Entsprechend
beruht all das auf Memen. Das Mem ist nach Dawkins die Grundeinheit kul-
tureller Systeme, so wie es das Gen in biologischen Systemen ist. Meme un-
terliegen den gleichen Selektionsbedingungen von Langlebigkeit, Frucht-
barkeit und Wiedergabetreue wie Gene. Meme reproduzieren sich aufgrund
von Mimesis - Nachahmung - in menschlichen Gehirnen, Gene reproduzier-
en sich biochemisch aufgrund von Mitose in den Zellen von Organismen. Die
kulturelle Evolution auf der Grundlage von Memen nennt Dawkins deshalb
auch in Anlehnung an die Genetik »Memetik«.
Das ist eine starke These. Dawkins selbst hat den memetischen Ansatz
genutzt, um kulturelle Phänomene wie die Religion zu erklären. Er meint in
Religionen einen Beweis dafür zu sehen, dass Mem-Komplexe beziehungs-
weise »Memplexe« sich selbst reproduzieren und dabei kulturelle Efekte
hervorbringen, ohne dass es dafür einen evolutionären Zweck im biologis-
chen Sinn gibt. Das ist ein besonders wichtiger Punkt in Dawkins' Theorie:
Meme sind kein Teil der biologischen Evolution, und die Memetik darf de-
shalb nicht mit Überlegungen der Soziobiologie verwechselt werden. Diese
bringt nämlich die kulturellen Hervorbringungen von Menschen, aber auch
von Tieren (zum Beispiel staatenbildende Tierarten wie Ameisen oder Bien-
en) mit der biologischen Fitness der Lebewesen in Verbindung. Meme
beinden sich jedoch in einer völlig eigenständigen »Welt«, und die memet-
ische Evolution führt nicht grundsätzlich dazu, dass sich biologische Organ-
ismen erfolgreicher reproduzieren und ihre Gene langlebiger sind.
Nachdem Richard Dawkins in seinem legendären Buch eine Skizze der Me-
metik vorgelegt hatte, wurden diese Thesen von einer Reihe namhafter Wis-
senschaftler aufgegrifen, so dass sich die Memetik tatsächlich als eine Art
kulturwissenschaftlicher Evolutionstheorie entwickeln konnte. 284 Besonders
einlussreich wurden die Arbeiten von Susan Blackmore, einer englischen
Psychologin und wissenschaftlichen Bestseller-Autorin, und Daniel Dennett,
einem weltbekannten amerikanischen Philosophen. 285 Die Analogie zur Gen-
etik hat vor allem Richard Brodie mit einem Buch vorangetrieben, bei dem
schon der Titel Virus des Geistes die Richtung zeigt, in die seine Überlegun-
gen gehen. 286
Noch aus einem ganz anderen Grund ist dieser Autor für die Thematik des
vorliegenden Buches von Bedeutung. In den 1970er Jahren war er nämlich
an der Programmierung eines Textverarbeitungsprogramms für den Xerox
 
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