Information Technology Reference
In-Depth Information
Jeder Gegenstand, der von Menschen gemacht ist, trägt eine kulturelle
Bedeutung. Ein Ochsenkarren transportierte vor 5.000 Jahren nicht nur
Getreidesäcke, sondern auch die Idee des Rades, das Mem »Rad«. 281 Meme
unterliegen der Selektion, ein Mem, das sich nicht so oft und mit einiger
Genauigkeit in den Gehirnen der Menschen reproduzieren kann, verliert ge-
genüber erfolgreicheren Replikatoren an Boden, bis es vielleicht ganz ver-
schwindet. Vielleicht »überlebt« es aber in seiner medialen Speicherung,
seinem »Vehikel«, so wie die Inhalte eines antiken Buchs, das nach Jahrhun-
derten wieder aufgefunden wird.
Und genau wie Gene unterliegen Meme Mutationen: Diese sind ja eine
Voraussetzung dafür, dass in der nächsten Generation Variation entstehen
kann und dadurch eine bessere Anpassung an Lebens- und Umweltbedin-
gungen ermöglicht wird. Die Mutation der Meme geschieht bei ihrer Auf-
nahme und Weitergabe durch Menschen. Menschen sind nicht in der Lage,
exakte Kopien von Informationen herzustellen, sie speichern sie nicht wie
auf einer Festplatte ab, sondern rekonstruieren sie in ihrem Geist, wobei an-
dere Erfahrungen und Wissensbestände - andere Meme - einließen. Damit
weisen Meme alle Merkmale kultureller Zeichen auf, wie wir sie uns in Kap-
itel 3 angesehen haben. Wir können sie deshalb miteinander gleichsetzen:
Meme sind kulturelle Zeichen, und durch Übertragung des Modells der bio-
logischen Evolution auf Meme, wie sie Dawkins vorgenommen hat, besitzen
wir nun ein Instrument, um kulturelle Evolution zu verstehen.
Dawkins hat den Begrif »Mem« in Anlehnung an die Begrife »Gen« und
»Mimesis« geprägt. Mimesis - Nachahmung - nämlich ist es, was das Mem
zur Replikation befähigt. 282 Dawkins versteht, wie viele andere Philosophen
und Kulturwissenschaftler, das Prinzip der Nachahmung als einen zentralen
kognitiven Mechanismus des Lernens, der Kooperation, Kommunikation und
Organisation, der menschlichen Kultur überhaupt. Kinder lernen durch
Nachahmung sprechen, Lesen ist die kognitive Nachahmung von Zeichen,
Wörtern und Sätzen, die jemand geschrieben hat, und zum Schreiben ahmen
wir Zeichen nach, die wir ebenfalls zuvor haben lernen müssen. Aber auch
das Feuermachen, das Bauen von Kartenhäusern und Kathedralen oder das
Pfeifen einer Melodie erfordert die Fähigkeit der Nachahmung. Ein Lehrling
beobachtet die handwerkliche Tätigkeit seines Meisters und versuchet sie zu
reproduzieren. Wir kaufen uns ein Hemd in einem bestimmten Design, weil
wir irgendeine Art von Mode nachahmen, Moden selbst entstehen insgesamt
nur durch Nachahmung.
Eigentlich sind kaum irgendwelche Verhaltensweisen mit sozialer Relev-
anz denkbar, in denen nicht eine große Portion Nachahmung von zuvor
 
Search WWH ::




Custom Search