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Aufkommende Probleme werden stattdessen auf unzureichende Unter-
suchungsmethoden oder eine verkehrte Herangehensweise geschoben, das
Denkgebäude selbst bleibt unangetastet. Irgendwann aber haben sich so
viele Probleme angesammelt, dass einzelne »Abtrünnige« sich fragen, ob es
nicht vielleicht doch eine völlig andere Perspektive auf die gesammelten
Forschungsergebnisse gibt, die »guten« und die problematischen. Dann
kommt es vor, dass ein einzelner Forscher in einem genialen Schöpfungsakt
ein ganz neues Denkgebäude errichtet, das radikal mit allem Vorherigen
bricht. Einen solchen radikalen Bruch führte beispielsweise Einstein 1905
mit seiner Speziellen Relativitätstheorie herbei, einer richtiger wissenschaft-
lichen Revolution: Die Zeit sieht er darin als eine variable Größe und die En-
ergie eines Teilchens äquivalent zu seiner Masse. Das war das Gegenteil
dessen, was seit Newton jahrhundertelang Gültigkeit besessen hatte, un-
glaubliche Erkenntnisse, die sich gleichzeitig auf die Physik des ganz
Großen und des ganz Kleinen auswirkten.
Andere Wissenschaftler lassen sich durch derartig radikale neue Ideen
keineswegs auf Anhieb überzeugen, die etablierten Denkgebäude, in denen
sie sich bewegen, weisen eine gewisse »Immunität« auf. Die Entscheidung,
welches Denkgebäude sich schließlich durchsetzt, geschieht deshalb auch
nicht durch Experimente oder aufgrund von rationalen Abwägungen. Die
neuen Denkgebäude sind am Anfang auch keineswegs besser oder
zwangsläuig überzeugender, da in sie ja erst sehr wenig Forschungsarbeit
eingelossen ist. Am Anfang können sie mit den etablierten Gedankenge-
bäuden kaum konkurrieren. Die Vertreter der neuen Richtung versuchen
ihre Kollegen deshalb eher zu bekehren als zu überzeugen, und ein
wichtiges Instrument dafür ist die Propaganda.
Entscheidend ist aber schließlich etwas anderes: Die »Revolutionäre« sind
immer junge Wissenschaftler, die sich noch nicht so sehr mit der etablierten
Lehrmeinung identiizieren wie die älteren. Einstein war 26, als er die Spezi-
elle Relativitätstheorie entwickelte, die Physiker, die in seiner Nachfolge in
den 1920er Jahren die ebenso revolutionäre Quantenmechanik begründeten
und bald auch die Nobelpreise einheimsten, waren alle in ihren Zwanzigern
und Dreißigern. 271 Und solche Leute haben Anziehungskraft für andere
junge Wissenschaftler. Gemeinsam können sie jahrzehntelang ihr
Gedankengebäude weiterentwickeln und propagieren. Die älteren
etablierten Wissenschaftler jedoch sind nach einigen Jahren nicht mehr
dabei, sie sind im Ruhestand oder verstorben. »Eine neue wissenschaftliche
Wahrheit plegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner
überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch,
 
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