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In diesem Bild vom technisch unterstützten Schreiben der Zukunft wird eine
Situation gezeigt, in der der Mensch einige der Fähigkeiten, die ihn noch
heute als Schreibenden kennzeichnet, sich vom Computer abnehmen lässt.
Es ist klar, dass diese Fähigkeiten beim Menschen dann verblassen werden.
Wenn der Computer etwa für korrekte Orthograie und Interpunktion sorgt,
wendet der Mensch die damit verbundenen Regeln allenfalls nur noch passiv
an, falls ihm Fehler aufallen sollten. Wir wissen aus der Fremdsprachen-
nutzung, dass es viel leichter ist, in einer Fremdsprache zu lesen als selbst
in ihr einen Text zu schreiben. Nicht anders ist es auch bei sprachlichen Re-
geln in der Muttersprache. Von ersten Folgeerscheinungen können Lehrer
heute bereits berichten, wenn es um die Veränderungen der Schreib-
fähigkeit der Digital Natives geht. 254 Allerdings darf man das, was man in
den Texten von Jugendlichen indet, nicht direkt mit dem gleichsetzen, was
sie tatsächlich beherrschen. 255 Sehr viel eklatanter als bei uns ist die Situ-
ation schon heute in der chinesischen Schriftkultur: Da die Zeichen beim
computerunterstützten Schreiben nicht mehr selbst geschrieben werden
müssen, sondern nur noch ausgewählt werden, geht die Kenntnis der kor-
rekten Schreibung komplizierterer Zeichen zurück. Junge Chinesen wissen
oftmals nicht mehr genau, welche Strichabfolge und Strichrichtung, beides
genauestens festgelegt für solche Zeichen, sie anwenden müssen. Was wird
aus einer Schrift, die selbst beim Schreiben nur noch gelesen wird? Wird sie
sich verändern?
Auch die lateinische Schrift und andere Alphabetschriften werden vom di-
gitalen Schreiben in Bedrängnis gebracht. Immer häuiger ist heute zu beo-
bachten, dass auch handschriftliche Texte in einer Art Druckschrift ges-
chrieben sind. Mittlerweile wird sogar in immer mehr Bundesländern die
»Grundschrift«, eine Art Druckschrift, als Standardschrift in der Schule
eingeführt. 256 Eine wirklich schöne, das heißt geübte und harmonische
Handschrift kann man immer seltener inden - und es ist klar, woher das
kommt: Auch in der Schule und im Beruf wird weniger mit der Hand ges-
chrieben, stattdessen immer mehr per Tastatur. 257 Und was heute bereits
völlig untergegangen ist, ist die frühere Fähigkeit geübter Schreiber, beim
handschriftlichen Schreiben unterschiedliche Schriftarten zu verwenden, et-
wa einen Stil für Briefe, einen Alltagsstil, einen Bürostil und einen für fremd-
sprachige Texte. Was aber sicherlich nicht vergehen wird, ist das Schreiben
überhaupt, selbst wenn Diktiersoftware eines Tages absolut fehlerfrei
arbeiten sollte. Gesprochene Sprache verläuft eindimensional in der Zeit, ein
Text ist ein zweidimensionales Gebilde, das in der Fläche gestaltet und zun-
 
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