Environmental Engineering Reference
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Thermoplastische Stärke wird erhalten, indem native Stärken in Extrudern unter Zugabe von
Weichmachern wie Glycerin (Kap. 9.1), Polyethern oder Harnstoff verarbeitet werden. Durch
den Einfluss von Temperatur, Druck und Scherung wird die granulare Struktur der nativen
Stärke zerstört, die Kristallinität verringert und die Aufnahme von Weichmachern und anderen
Additiven erleichtert. Die Weichmacher verringern die Wasseraktivität und erschweren
dadurch den mikrobiellen Angriff. Die mechanischen Eigenschaften der thermoplastischen
Stärke sind besser als die der nativen, die Sprödigkeit des Materials ist geringer und die Verar-
beitbarkeit verbessert sich. Allerdings bleibt das Material hydrophil und die mechanischen
Eigenschaften sind - verglichen mit anderen Biokunststoffen - limitiert [175].
Zur Herstellung chemisch modifizierter Stärke nutzt man die Funktionalität der Hydroxylgrup-
pen, um entweder eine Säure-Modifikation oder eine Veretherung (z. B. Hydroxypropylether)
bzw. Veresterung (Acetylierung, Phosphat-Monoester) vorzunehmen. Auch Quervernetzungen
von Hydroxylgruppen benachbarter Amylose- oder Amylopektin-Ketten sind möglich. Die
Durchführung der o. g. Modifikationen der Stärke im Detail und der Einfluss auf Material-
eigenschaften wie Geliertemperatur und andere anwendungsrelevante Eigenschaften sind in
[21], [173] und [175] dargestellt. Die Herstellung chemisch modifizierter Stärke ist vergleichs-
weise aufwendig und die große Hydrophilie sowie vergleichsweise niedrige mechanische Ei-
genschaften sind auch hier noch für die Anwendungen ein begrenzender Faktor [175].
Stärkeblends basieren auf thermoplastischer Stärke, chemisch modifizierter Stärke oder auch
nativer Stärke, die mit anderen Komponenten wie biologisch abbaubaren petrochemischen
Kunststoffen, Biokunststoffen oder auch anorganischen Verbindungen wie Füllstoffen oder
Pigmenten typischerweise in einem Extrusionsprozess gemischt werden [175]. Zur Problematik
der biologisch abbaubaren petrochemischen Kunststoffe siehe Kap. 2.5. Auch Mischungen mit
nicht biologisch-abbaubaren petrochemischen Kunststoffen (z. B. PP und PUR) werden im
Hinblick auf Märkte wie den Automobilsektor angeboten. Aus ökologischer Sicht sollten die
beigemischten Komponenten jedoch ebenfalls biogenen Ursprungs sein wie z. B. PLA oder
PHA; auch solche Blends sind verfügbar. Der Stärkeanteil in den Mischungen variiert stark
und liegt üblicherweise zwischen 30 und 80 % [175].
Stärke-Composites sind Mischungen von nativer Stärke oder ggf. thermoplastischer Stärke mit
Verstärkungsfasern wie z. B. Papierfasern, die im Spritzgießverfahren [104] verarbeitet werden
können.
Typische Anwendungen der am stärksten verbreiteten Variante - der Stärkeblends - sind Pro-
dukte mit vergleichsweise geringer Lebensdauer wie Kunststofftragetaschen (siehe Bild 166)
oder Verpackungsschaum-Materialien, sogenannte „loose fill“ die z. B. Produkte aus Polysty-
rol ersetzen können. Die Stärkeblends eignen sich für viele wichtige Verarbeitungsprozesse
[102], [104], [177] wie Blasfolien, Extrusion, Spritzgießen, Schäumen und auch Thermofor-
men [109].
Weitere Anwendungen sind Einwegbestecke, Schreibgeräte, Mulchfolien und Biomüllsäcke.
Bezüglich der Anwendung von Biomüllsäcken regt sich vermehrt Widerstand der kommunalen
Abfallentsorger. Die für dieses Produkt meist verwendeten Stärkeblends sind zwar kompos-
tierbar, der Zerfall läuft jedoch nicht mit der Geschwindigkeit ab, die für die etablierten Pro-
zesse erforderlich ist [178] (siehe Kap. 2.6).
Problematisch ist der Ansatz, durch Zugabe abbaubarer Komponenten wie Stärke zu petroche-
mischen, nicht abbaubaren Kunststoffen einen makroskopischen Zerfall von Kunststoffteilen
zu induzieren, um die nach der Norm DIN EN 13432 geforderte Desintegration zu erreichen,
d. h. nur noch 10 % der Ausgangsmasse in einer < 2 mm-Siebfraktion nach 12 Wochen Kom-
postierung bei 58°C [179] (siehe auch Kap. 2.5). Mikroskopisch bleiben dann aber die petro-
 
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