Geography Reference
In-Depth Information
book Places oder Google Latitude einen Alert, dass sich ein weiterer Freund von
uns in der Nähe befindet. Spontan sagen wir ihm, wo wir gerade einen Kaffee
trinken und laden auch ihn dazu ein; SMS ist nicht notwendig - wir können dies
auch via Facebook-Nachricht erledigen. Prompt kommt von ihm eine Antwort,
dass er bereits wusste, wo wir sind und schon auf dem Weg ist: Unser virtueller
Checkin hat es ihm via Facebook mitgeteilt. Wir sollen ihm schon einmal einen
Kaffee bestellen - er sei in zwei Minuten da!
Das Beispiel zeigt, dass Smartphones eine Praxis der geomedialen Veröffent-
lichung unseres In-der-Welt-Seins ermöglichen. Damit meine Freunde mich im
Café finden können, muss ihnen die Information, dass ich mich gerade dort be-
finde, zugänglich sein. Damit ich meinen Weg durch den Großstadtdschungel
bahnen kann, muss ich meinen Standort via GPS ermitteln lassen und im glei-
chen Atemzug auch preisgeben. Häufig sind digitale Karten und soziale Netz-
werke wie Facebook der Ort, an dem sich diese Veröffentlichungspraxis doku-
mentiert (Bahrke 2011). Welche Orte finden wir interessant und welche Erinne-
rungen und Bewertungen sind für uns damit verbunden? Mit wem kommunizie-
ren wir wo und worüber? Welche Veranstaltungen besuchen wir wann und wo?
Welche Musik, Bilder und Filme gefallen uns? (Dabei hat z.B. der „Gefällt mir“
Button bei Facebook eine wichtige Funktion - ähnlich einer Markierung, die sich
zurückverfolgen lässt und zugleich ihren Urheber markiert.)
Hierbei ist die gesellschaftliche Tragweite dieser Omnipräsenz des Web
weitaus größer, als es das banale Beispiel des komfortablen Alltags vermuten
lässt, wie die Facebook- und Twitter-(unterstützten)Revolutionen in Tunesien,
Ägypten oder Libyen verdeutlichen (vgl. Nordhausen/ Schmid 2011). Die Mög-
lichkeit persönliche Erfahrungen, Erlebnisse und Ereignisse vor Ort in Wort und
Bild festzuhalten und zu veröffentlichen, haben die tiefgreifenden politischen
Veränderungen erst mit in Gang gesetzt. Auf einmal werden Diskursmacht, Mei-
nungsbildung und Zensur einer bestimmten Gruppe durch die geomedial ermög-
lichte Veröffentlichung persönlich bedeutsamer und kontroverser Auffassungen
über Politik, Lebensweise und Gesellschaft durchlöchert und unterlaufen.
Der Eindruck, dass der gegenwärtige geomediale Umbruch, in Verbindung
mit der Pluralisierung von Meinungen, nun fest etablierte gesellschaftliche Kon-
trollmechanismen außer Kraft setzt, ist allerdings trügerisch. Denn es kann auch
kritisch angemerkt werden, dass vor allem eine bestimmte Idee von Gesellschaft,
nämlich eine kapitalistische Gesellschaftsordnung, durch diese Praxen weiter
stabilisiert wird. Mobiles Internet wartet schließlich auch mit der Verheißung
auf, an jedem Ort konsumieren zu können - Musik downloaden in der S-Bahn,
Schuhe kaufen im Eiskaffee, die Buchbestellung im Wartezimmer - alles kein
Problem. Zudem sind laut der Marktforschungsgruppe Millward-Brown (2011)
die beiden wertvollsten Marken der Welt eben genau jene zwei Konzerne, die
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