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Es bestätigt sich also die eingangs aufgestellte These, dass die neuen Medien
keineswegs nur eine Tilgung von Raum bewirken, sondern - im Gegenteil - zu
einer Vervielfältigung von Räumlichkeit oder räumlichen Konstellationen bei-
tragen, wie auch einer teilweisen Wiederaufnahme früherer Konstellationen den
Weg bereiten. Der Medien- und Archivtheoretiker Boris Groys (2003) hat gar
von einer Rückkehr der Aura im Zeitalter des Internets gesprochen: Da die
Raumerfahrung der Nutzer eine ist, die in der Bewegung hin zum Ort der Daten
besteht, werde laut Groys der Struktur nach wieder die auratische Erfahrung
eines Originals gemacht. Tatsächlich sind die Ausführungen von Groys nicht
sogleich einsichtig, und er ist für seine Diagnose entsprechend kritisiert worden.
Denn ohne Zweifel werden die Daten ja auf das Medium des Nutzers geladen
und der Code identisch reproduziert. Doch das ist eben eine Beschreibung auf
der Ebene des Mediums und nicht auf der Ebene der Medialität: Hier kann sich
durch das Design der grafischen Schnittstelle der besagte Eindruck einer Bewe-
gung im Verweissystem ergeben, in dem man sich von einer Stelle des Hyper-
texts zur anderen begibt. Denn nur bedingt geben die Adressen von Websites
Aufschluss über den tatsächlichen Standort des Servers: Der mediale ‚Subraum'
ist in der Verwendung vielmehr ebenso abwesend wie das Medium, das die Nut-
zer in der Hand halten. Stattdessen existiert die Adresse zunächst nur im topolo-
gischen Geflecht eines Netzes, dessen Knotenpunkte wiederum einen physischen
Ort repräsentieren können, der aber nicht mit dem Ort identisch ist, wo die Daten
archiviert sind. Im Gebrauch eines mobilen Computers kann Raumbewegung
daher in doppelter Hinsicht erfolgen: einmal als Ortsveränderung im Physischen
(im Raum des Mediums) und einmal im Virtuellen (im Raum der Medialität);
und weiterhin - im Sinne der zweifach doppelten Unterscheidung - zum einen
physisch in Bezug auf die Orte, an denen sich Server befinden wie diejenigen, an
denen sich die mobilen User und ihre Geräte befinden, zum anderen virtuell: in
Bezug auf die Topologie des Adresssystems (URL) wie auch in Bezug auf das
im Display Dargestellte (z. B. die Räumlichkeit eines im Display dargestellten
Bilds, Films etc.).
Über die Internetnutzung hinaus ist noch eine Bewegungsmöglichkeit im vir-
tuellen Raum zu berücksichtigen, die durchaus als die vielleicht einzige Raum-
form des Computers gewertet werden kann: die Bildsimulation, wie sie insbe-
sondere bei digitalen Spielen vorliegt. In Computerspielen sind nicht nur Bewe-
gungen der Erscheinungen wahrnehmbar, sondern diese können vom Bildbe-
trachter in der Rezeption beeinflusst werden. Beim Nutzen eines Computerspiels
auf einem mobilen Gerät wären damit sowohl Träger wie auch Bilderscheinung
aktiv beweglich. Das heißt: Die Mediennutzer können nicht nur die Position des
Mediums variieren, sondern auch diejenige der Spielelemente auf dem Display.
Gleiches gilt freilich auch für Bildschirmanwendungen, die gemeinhin nicht als
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