Geography Reference
In-Depth Information
Nutzern nicht, nur unvollständig oder in geringerer Auflösung ankommen. Ist
der Download aber erfolgt, befinden sich die Nutzer nun an zwei Orten zugleich:
Einmal an dem Ort, an welchem sie sich mit dem Trägermedium aufhalten und
dann an dem Ort, von welchem die Information stammt. Dieser letztere Ort wird
selbst nicht als derjenige erfahren, an dem der Server steht, der die Daten zur
Verfügung stellt, sondern als derjenige, der durch die Adresse bezeichnet wird.
Die Metaphern des ‚Netzes' oder auch des ‚Rhizoms' waren diesbezügliche
Versuche, jenes eminent räumliche Phänomen zu beschreiben. Doch auch wenn
gerade die Metapher des Netzes eine technische Plausibilität insofern besitzt, als
freilich Leitungen oder Funkverbindungen an Knotenpunkten bzw. Sendeanla-
gen zusammenlaufen, ist diese, wie auch die zweite, botanische Metapher des
‚Rhizoms', eher als Versuch zu werten, Unübersichtlichkeit zu kompensieren,
anstatt zu einer Klärung beizutragen. Vor allem aber ist bei der Verwendung
solcher Metaphern nicht immer ersichtlich, welcher Raumaspekt gemeint ist:
derjenige des Mediums oder derjenige seiner Vermittlungsform. Aufschluss
geben kann daher der Blick auf eine ältere Konfiguration der Medien, die der
gegenwärtigen nahe kommt: Medien, welche die Möglichkeit zur Livesendung
und zeitgleichen Mehrfachdistribution haben - also vor allem Radio (per Draht
oder Funk) sowie Fernsehen.
Doch gleich, ob die Produktion im Moment der Sendung erfolgt oder nur die
Distribution im Jetzt geschieht, in beiden Fällen liegt auf der Ebene der Mediali-
tät ein räumliches Phänomen vor, das Günther Anders alias Günter Stern bereits
in einem Aufsatz über das Radio als ‚Spuk' beschreibt. Das Spukhafte ist für ihn
dabei nicht allein, Phantasiegebilde nach Art des Bildes vorgeführt zu bekom-
men (die eben aus diesem Grund mit Husserl ein ‚Nichts' genannt werden kön-
nen), sondern das Spukhafte ist, dass, gleich an welchem Ort ein Hörer sich
befindet, der hörbare Ton je schon dort sein kann, dieselbe Übertragung also
nach überall hin erfolgen kann. Sie wird, wie Stern (1930: 65) schreibt, „mehr-
fach und immer wieder in ihrer Ganzheit über das Land zerstreut, wo sie jeweils
Wurzel fasst“. Der maßgebliche Unterschied zu heute ist allerdings, dass die
Mobilität der tragbaren Kleincomputer das ‚Wurzel-Fassen' tatsächlich rhizoma-
tisiert hat oder - um mit dem treffenderen Raumbegriff von Gilles Deleuze und
Félix Guattari (1992) zu sprechen - das Medium ‚deterritorialisiert' wurde. Wäh-
rend der Träger jedoch solcherart entortet ist, muss das für seine Form keines-
wegs gelten: Diese kann dem Raum eines klassischen Schriftbildes mit einer
festen Struktur ebenso entsprechen wie ein unbewegter Bildraum, sodass das
deterritorialisierte Medium dann von einer ‚reterritorialisierenden' Erschei-
nungsweise begleitet wäre, die zudem − je nach Kontext - eine Reterritorialisie-
rung auch auf der Ebene des Inhaltes besitzen kann; so etwa, wenn auf dem Dis-
play des Handys eine Karte den aktuellen Standort des Nutzers anzeigt.
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