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Gemäß der Subjekttheorie Lacans ist der Akt des Begehrens ein urtümlicher
Impuls, der aus der Urverdrängung hervorgeht und vor aller Intentionalität liegt.
Das frühkindliche Begehren konstatiert den Mangel seiner Erfüllbarkeit und
veranlasst einen Teil von sich abzuspalten. Dieses Etwas kann sehr verschieden
besetzt werden und wird von Lacan formal als object a bezeichnet. Lacan nennt
dieses Objekt den Blick. Der Blick ist also nicht in das Subjekt einverleibt, son-
dern kommt ihm entgegen (vgl. Boehm 1994: 22-26).
„Auf diesem Weg etabliert sich eine Kreuzung der Blicke: der visuelle Impuls des Sehens (vom
Subjekt ausgehend) kreuzt sich mit dem Angeblicktwerden, dessen Ort in der Welt das abgespaltene
Objekt a ist, das gleichwohl auf das Begehren, z. B. den Schautrieb rückbezogen bleibt. (…) Lacan
hat das chiastische Modell der Blickverschränkung mit großer Aufmerksamkeit entwickelt, dabei
Gebrauch gemacht von der Verschränkung zweier Dreiecke (früher auch als Sehpyramiden bezeich-
net), deren geometrische Plausibilität immer wieder dazu benützt wurden, um das ineinander von
Sicht und Ansicht darzustellen“ (Boehm 1994: 22-26)
.
Neben dem psychoanalytischen Diskurs um den Mangel gibt es auch einen phi-
losophischen Diskurs u. a. von Ernst Bloch. Er beginnt seinen Text „Zugang.
Aus sich heraus.“ Mit der Zeile „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum wer-
den wir erst. (Bloch 1970: 13). Der Mangel ist hier ein Nochnicht-Haben. Das
Unbewusste wird als Vorgängiges, Vorbewusstes thematisiert im Gegensatz zu
Freuds psychoanalytischer Zuordnung des Unbewussten als Vergangenes (vgl.
Sabisch 2007: 30). Der Mangel, „der das Selbst antreibt, (ist) nicht als rein nega-
tiver Zustand zu verstehen, denn eine Erfahrung des Fehlens setzt nicht nur vo-
raus, dass etwas fehlt, sondern, dass ‚es zu sein hat'. Das, was zu sein hat, kann
aber nur an sich selbst gemessen werden. Das Selbst wird folglich zum Maßstab
für Mangel, Begehren und Streben und eben dadurch bildet es sich heraus.“
(Sabisch, 2007: 39f).
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Bild und Aufzeichnung
„Neuartiges Sehen, das vom gewohnten Sehen abweicht, lässt sich (…) keineswegs als Akt denken,
der sich auf etwas richtet, das schon da ist. Es beginnt damit, dass uns etwas auffällt, einfällt, zufällt,
zustößt. Blick- und Gedankeneinfälle, die mir kommen, sind keine Akte, die ich vollziehe: Es fällt
mir ein, es fällt mir auf, es springt ins Auge“ (Waldenfels 1999: 47).
Die Metaphern des Fallens- und Stürzens sowie die Betonung des Es deuten auf
die Abgründigkeit des Phänomens hin, auf seine Unrückführbarkeit auf schon
Bestimmtes (vgl. Mersch 2002: 47). Um sich an diesem Abgrund bewegen zu
können und Fragen ins vor uns liegende Offene formulieren zu können, benöti-
gen wir eine Orientierung. Ästhetische Erfahrungen, die wir vor einem Bild
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