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„Diastase bezeichnet einen Differenzierungsprozess, in dem das, was unterschie-
den wird, erst entsteht“ (Waldenfels 2004:174). Anders gesagt, in der Diastase
bilden sich Zeit und Raum neu.
Die Diastase gewinnt „einen radikal zeitlichen Sinn, wenn wir die Vorgän-
gigkeit eines Widerfahrnisses mit der Nachträglichkeit der eine antwortproduzie-
renden Wirkung zusammendenken“ (Waldenfels 2004: 178). „Erst im Antworten
auf das, wovon wir getroffen sind, tritt das, was uns trifft, als solches zutage.“
(Waldenfels 2004: 13). „Die Verschiebung hat nicht nur einen zeitlichen Charak-
ter, sie gibt der Zeit selbst ihr eigentümliches Gepräge“(Waldenfels 2004: 179,
Sabisch 2007: 10). Ebenso ist es mit dem Raum. Die Verschiebung hat nicht nur
räumlichen Charakter. In ihr entsteht das Hier und das Anderswo erst. Die Ver-
schiebung gibt dem Raum selbst sein eigentümliches Gepräge. Vorgängigkeit
und Nachträglichkeit gehören zum Zickzackkurs einer jeden kreativen Erfahrung
(vgl. Waldenfels 2010: 11). In der Umwandlung dessen, wovon ich getroffen
bin, in das, worauf ich antworte, entsteht ein Zwischenbereich. In diesem Zwi-
schenbereich vollzieht sich Bildung im Sinne einer ästhetischen Selbstbildung.
Das erleidende passive Selbst wird umgewandelt in ein antwortendes Selbst (vgl.
Sabisch 2009: 71).
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Blickbegehren
Wie ist es nun zu verstehen, dass aus dem Bild heraus mich etwas anblickt, et-
was beunruhigt, etwas antreibt, wie zu erklären, dass mir ein unsichtbares Pathos
ins Auge springt? Um das zu verstehen zu geben hat Jaques Lacan (1994: 61) in
seiner Vorlesung „Linie und Licht“ auf das Holbeinsche Bild rekurriert. Seiner
Ansicht nach lockt der im Vordergrund schwebende Gegenstand den Betrachter,
er lockt ihn in die Falle.
„Das Geheimnis dieses Bildes (…) zeigt sich in dem Augenblick, wo wir uns von ihm entfernen
und im langsamen Weggehen nach links uns umkehren und sehen, was der schwebende magische
Gegenstand anzeigt. Er gibt uns die eigene Nichtigkeit wieder, in Gestalt eines Totenschädels. Hier
ist also die geometrale Dimension dazu da, das Subjekt einzufangen, offensichtlich im Verhältnis
zum Begehren, das aber rätselhaft bleibt.“
Der Blick lässt sich von einem Begehren aus fassen und das Begehren wird ver-
ständlich in Zusammenhang mit der Ursituation des Menschen, die durch einen
Mangel gekennzeichnet ist. Lacan spricht von einem Mangel, der das Subjekt
konstituiert. Aus dem Mangel speist sich, unsere nicht verfügbare Motivation zu
leben und Erfahrungen zu machen. Der Mangel schlägt auch in ein Sehbegehren
um, das unser Sehen antreibt. (Lacan 1994; Waldenfels 2010: 43).
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