Geography Reference
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angesprochene semantische Problematik hindeutet. Während die Differenz zwi-
schen Tracking und Tracing auf die grundlegende Frage verweist, ob und unter
welchen Bedingungen technische Navigation überhaupt Karten bedarf, führt uns
die Differenz zwischen Oligoptiken und Panoramen zu der nicht weniger grund-
legenden Frage, was überhaupt eine Karte ist.
Hinter beiden Konzeptionen verbirgt sich der sozial-phänomenologische
Versuch, mit der Unmöglichkeit umzugehen, im Fall der Navigation: eine men-
tale Karte auf eine materielle Karte, im Fall der Kartographie: eine Weltkugel
auf eine Weltkarte zu projizieren. Welches Mediatisierungsverfahren man auch
immer verwendet, das zweidimensionale Resultat bleibt das gleiche: „Das Ganze
ist das Falsche. Die verschiedenen Arten von Weltkarten, die es gibt, unterschei-
den sich [...] vor allem durch die Wahl des Fehlers, den sie bevorzugen“ (Som-
mer 2002: 284): Je größer das kartierte Territorium, desto größer der Abbil-
dungsfehler. „Karten hingegen, die nicht das Ganze, sondern nur Teile darstel-
len, nähern sich dem Wahren an - und zwar umso mehr, je kleiner der aufge-
zeichnete Teil ist“ (ebd.).
Demnach müsste die Reduzierung der Karte auf einen singulären, nahezu un-
sichtbaren Punkt der ‚Wahrheit' am nächsten kommen. Jedenfalls wäre ein sol-
cher Standpunkt in Anbetracht der verzerrenden Lage und Größe seiner kartier-
ten Teile am ehesten angemessen. Doch wie diese Ausführungen gezeigt haben,
bleibt diese Vorstellung eine Illusion. Die Medienpraxis der Navigation offen-
bart, dass sämtliche diskreten Wahrheitspunkte bereits immer schon durch Medi-
en vermittelt sind. Die soziale Welt, die durch die Akteur-Netzwerk-Theorie
beschrieben wird, kennt - auch wenn sie das verneinen mag - privilegierte Orte.
Das sind solche verbindenden und strukturierenden Orte, die durch Geomedien-
technologien - im Einzelnen nennt Latour (2007b: 312): „Satelliten, Glasfaser-
netze, Rechner, Datenströme und Laboratorien“ - materiell aufgerüstet wurden.
Diese „Kategorie von Orientierungspunkten“ ist zwar nicht notwendiger-
weise, aber doch nachfolgend-hermeneutisch mit kartographischen Darstellungs-
formen verknüpft. Auch wenn Latour den Eindruck erweckt, als könne man
diesen Rahmen ausblenden, als gäbe es „einen Weg - freilich einen schmalen -,
der es erlaubt, den ‚Rahmen' und denjenigen, der sich ‚innerhalb' dieses Rah-
mens situiert, gleichwertig zu machen“ (Latour 2011: 52), so begibt man sich
doch nur in einen neuen Rahmen. Locative Media sind insofern ganz in einen ur-
kartographischen Diskurs eingebunden wiewohl sie post-kartographisch daher
kommen mögen.
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