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Das Beinahe
Auch das Aufkommen post-lokativer Praktiken mit ihrem Wechsel von absolu-
tierender (weil weltweit verortender) GPS-Technik zur relationalen (weil nur
lokal verortenden) RFID-Technik wirkt diesem Eindruck nicht entgegen:
„If locative has, over the course of time, become [mis-]identified with its art historical origins in
GPS-enabled tracking and tracing, then post-locative practice might emphasize a more relational
concept of location, for an environment where everything is in-flux.“ (Tuters 2011: 8)
Die Idee, das Lokative der Locative Media nicht länger unter dem Diktum ‚abso-
luter' Positionierung zu betrachten, ist zwar - wie nicht zuletzt Kapitel 2.3 dieses
Aufsatzes dargelegt hat - grundsätzlich richtig, kann aber nicht allein dazu füh-
ren, eine neue Generation post-lokativer Medien zu proklamieren. Denn wie
dieser Aufsatz zu zeigen versucht: Bereits für die GPS-Technologie hat die Orts-
und Weginformation eine arbiträre Wertigkeit. Es bedarf nicht einer anderen
Lokalisierungstechnologie, um dies herauszustellen. Wie Kurgan (1994) gezeigt
hat, ging es den Locative Media schon immer um Nähe. Absolute Verortung war
von jeher eine (kartographische) Projektion. Insofern stand und steht die Lokali-
sierung nicht im Widerspruch zur Kontextualisierung. Diese Ambiguität ist
vielmehr bereits der Lokalisierungstechnologie selbst inhärent. Locative Media
zielen per se auf eine unschärfende Präzisierung.
Wie die jüngeren Entwicklungen zeigen, können wir auch durch die Verbrei-
tung einer Vielzahl von Lokalisierungs- und Navigations-Apps nicht von einer
Entdinglichung von Medienbestimmungen oder einer Entarbitrarisierung von
Ortsbestimmungen durch Locative Media sprechen. Im Gegenteil: Durch die
Selbsteditierbarkeit von Lokalisierungsanwendungen wird sichtbar (wie das
Beispiel Waze zeigt), was am Initialpunkt der Locative Media bereits virulent
war, aber seither zusehends verschüttet ging: Es handelt sich bei Locative Media
wie bei Geobrowsern um Beinahe-Medien: Panoramatisch um ein Medium des
Fast-Gelingens und geographisch um ein Medium, das sich immer nur seiner
physischen Position und eindeutigen Wegbahnung annähert.
Insofern haben wir es aus medienwissenschaftlicher Perspektive gegenwärtig
immer noch mit definitorischen Grundlagenfragen des hier diskutierten Phäno-
menbereichs zu tun, gleichwohl durch Location-based Services Locative Media
längst den Massenmarkt erreicht haben (vgl. Sutko/de Souza e Silva 2011) und
man bereits von einem „‚beyond', ‚after' or ‚post-' Locative“ (Shepard 2011)
spricht. Wie die Ausführungen gezeigt haben, bedarf es allerdings keineswegs
einer massenhaften Dinghaftigkeit, sondern lediglich einer Dinghaftigkeit, be-
darf es keiner großen Distanzen, sondern lediglich einer Distanz, um der Logik
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