Geography Reference
In-Depth Information
den Zugang zu Medien von ihrer materiellen Basis entkoppelt und in der Weise
zu Software transformiert, dass vollkommen neue Hybride entstehen, die auch
nicht mehr ohne Weiteres entflochten werden können (Manovich 2008).
Map Mash-ups stehen symptomatisch genau für diese Entwicklung: dafür,
dass nicht mehr das Dispositiv des Einzelmediums und die Bedeutungskonstruk-
tionen von Bildern und Zeichen im Mittelpunkt der mediengeographischen Be-
trachtung stehen, sondern hypermediale Repräsentations- und Wahrnehmungs-
formationen, deren raumbezogene ‚Ausführung' Kitchin/Dodge (2011) als
„Code/Space“ bezeichnen.
Geographische Visualisierungen waren schon immer abhängig von denen
ihnen zugrunde liegenden Methoden der Datensammlung, doch diese haben sich
durch die Digitalisierung erheblich erweitert. In der Folge kann die digitale Kar-
tographie die Welt nicht nur tiefer gehender betrachten, sondern auch Neues
erkennen, insbesondere neue zeitliche Zusammenhänge (Pickles 2004).
Doch die Neokartographie macht nicht nur sichtbar, was vorher nicht sichtbar
war, sie verdeckt auch, was zuvor auf den ersten Blick einsichtig war. Hierzu
zählt insbesondere die ‚Tiefeninformation', die durch die Hyperlink-Struktur, als
dem zentralen neuen Paradigma digitaler Geovisualisierungen (Dodge et al.
2008: 5), erst interaktiv erschlossen werden muss. Solche verdeckten On-
demand -Geoinformationen können nicht ohne weiteres als integrierter Bestand-
teil einer Kulturtechnik der Navigation betrachtet werden. Die Navigation in die
semantische Tiefe weist immer noch größere Barrieren (vgl. Abend et al. 2012)
auf als die Navigation in die Breite. Insofern erweist sich der Begriff der Medi-
enplattform genau richtig, als er eine scheinbar undurchdringbare Basis des Kar-
tenhandelns insinuiert.
Für Latour hat die Karte bereits vor dem Computer ihre Nutzer mit den Vor-
teilen einer Medien- und Navigationsplattform versorgt, denn Karten waren
schon immer Plattformen für vielfältige Berechnungsanschlüsse (November et
al. 2010: 582f.). Konkrete Folge Latours medienwissenschaftlicher Auseinander-
setzung ist die Etablierung von zwei Unterkategorien innerhalb seiner Epistemo-
logie von Rechen(schafts)zentren: (a) Medienplattformen und (b) Oligoptiken,
die er als Gegenentwurf zur überwachenden Allmachtsphatansie Foucaults ent-
wickelt. 4 Ein Oligoptikum ist ein Rechenzentrum, das zugleich als Orientie-
rungspunkt dient (Latour 2007b: 312).
Weder eine Trajektorie in die Fläche noch in die Tiefe ist letztlich hilfreich,
die Medienpraktik der Navigation zu verstehen. Stattdessen müsste man, folgt
4 Zur Wissenschaftsgeschichte und -theorie von „Rechen(schafts)zentren“ (engl.: „centers of calcula-
tion“) vgl. Latour 1987. Der Begriff „Oligoptikum“ ist dem französischen Wort „oligo-élément“ (dt.:
Spurenelement) entlehnt.
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