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man Latour, jedes einzelne durchschrittene Oligoptikum mit seinen vielfältigen
Anknüpfungspunkten in den Fokus nehmen, was im nächsten Abschnitt gesche-
hen soll. Als Oligoptikum verstehen Kitchin/Dodge (2011: 263) „a sociospatial
arrangement that renders people and places visible from fixed positions“,
wodurch Latours theoretischer Begriff sehr konkret in den Phänomenbereich
gerückt wird, der durch
Locative Media
(Tuters/Varnelis 2006; Buschauer/Willis
2012) beschrieben wird. Auch wenn die
Locative Media
häufig synonym zur
Neogeography
,
Volunteered Geographic Information
oder dem
Geoweb
benutzt
werden (Crampton 2010: 26), so schlage ich im Folgenden eine Differenzierung
vor, die
Locative Media
primär als mobile, positionsbestimmende Medien defi-
niert.
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Die Verschleierung der Geographien: Locative Media
Locative Media
mit ihrer technologischen Basis der Standortbestimmung (per
Global Positioning System
) unterscheiden sich von allen anderen Medien zu-
nächst nur in einem: Sie sind in der Lage, den Ort an dem sie sich befinden,
diskret zu bestimmen anhand einer Ziffer: einer Koordinate. Diese Koordinate ist
selbst unabdingbarer Teil einer Weltanschauung (vgl. Sommer 2002): Eines
Systems, das seinen Ursprung in London (Greenwich) hat, der Hauptstadt des
Commonwealth
, und einer gedachte Linie (Äquator), an der entlang sich die Erde
dreht. Dort, wo sich der direkte Weg vom politisch-kulturellen
Common Place
zum physikalisch-natürlichen Nichtort schneidet, ist der Nullort des globalen
Koordinatensystems, das vom
Global Positioning System
(GPS) immer mitge-
führt wird. Von dort aus trennt sich die Welt geradlinig und rechtwinklig in Ost
und West, Nord und Süd.
Das erdumspannende Raster ist ein Instrument der Einordnung und dient in
der virtuellen Navigation auch als Instrument der Einnordung (vgl. Abend/
Thielmann 2011). In Latours Kosmos bilden Panoramen wie Google Earth einen
einheitlichen Bezugsrahmen für die stets fragmentierten Oligoptiken.
„Wie die Etymologie nahelegt, sehen Panoramen, im Unterschied zu Oligoptiken,
alles
. Doch sie
sehen ebenfalls
nichts
, denn sie
zeigen
bloß ein Bild, das auf die dünne Wand eines Raums gemalt
(oder projiziert) wurde, der nach außen hin völlig
abgeschottet
ist. [...] Der Status dieser Panoramen
ist seltsam doppeldeutig: Sie sind gleichzeitig das, was gegen Totalisierung immun macht - denn sie
sind offensichtlich lokal und in blinde Räume eingesperrt - und was einen Vorgeschmack auf eine
geeintere Welt gibt. Sie sammeln, sie rahmen, sie ordnen, sie organisieren; sie sind Quelle dessen,
was unter einem wohlgeordneten Zoom zu verstehen ist.“ (Latour 2007b: 323ff.)