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Der veränderten Gestalt der Zeit gemäß (von der in die Zukunft gerichteten
Linie zum Punkt) wird in der digitalen Mediosphäre die Gültigkeit des Wissens
bestimmt durch den Event, die Aktualität und die Performanz, nicht aber durch
seine Tauglichkeit für die Ewigkeit. Das „fließende Wissen“ (Knowhow,
Projektgebunden) ersetzt das „bewahrte Wissen“ (Weisheiten, Systematisches).
Die nächste Schule wird sich radikal fächerübegreifend und stärker problem-,
projekt- und praxisorientiert organisieren müssen.
Darüber hinaus lässt dieses mediologische Phänomen ganz wesentliche
Herausforderungen der Globalisierung deutlich werden, die die nächste Schule
im Grundsatz prägen müssten. Jacques Derrida hat es auf den Punkt gebracht mit
der eindringlich umständlichen Formulierung „Weltweit-Werden“. In seinem
Vortrag über „Die unbedingte Universität“ weigert er sich, das Wort
„globalization“ oder „Globalisierung“ zu benutzen und will statt dessen das
französische Wort „mondialisation“ beibehalten, „um den Bezug auf eine ‚Welt'
[monde, world, mundus] aufrechtzuerhalten, die weder der Kosmos, noch der
Globus, noch das Universum ist.)“ Fortan ist im Text dem Wort
„mondialisation“ als deutsche Übersetzung das Wort „Weltweit-Werden“ nach-
gestellt: „Eine solche mondialisation , ein solches Weltweit-Werden, wird, wie
wir wissen, vom Raster der Begriffe des Menschen, des dem Menschen Eigenen
[...] geregelt.“ (Derrida 2001: 11)
Warum ist diese Abgrenzung so wichtig? Warum dieses merkwürdige Wort
Weltweit-Werden ? Warum das Beharren auf monde, world, mundus? Das Wort
„Welt“ leitet sich ab von dem althochdeutschen Wort „weralt“. Es ist eine
Zusammensetzung aus dem germanischen Wort für „Mann, Mensch“ (vgl.
„Werwolf“: Mensch, der sich zeitweise in einen Wolf verwandelt) und einer
indogermanischen Wurzel mit der Bedeutung „Menschheit, Zeit“.
Eine in dieser Weise verstandene „Welt“ ist etwas anderes als der Kosmos,
der Globus oder das Universum. Und es ist auch etwas anderes als das Ganze der
transkontinentalen Handelsströme und Finanzpipelines. Dabei ist das
mitzudenken, was Transmission ausmacht: Geschichte - und vor allem deren
Plural: Geschichten, Sprachen, Kulturen, soziale Bänder, Diskurse, Traditionen,
Generationen - „weralt“, Menschen-Alter - nicht als Zeitabschnitt, Epoche,
sondern - so die etymologische Herleitung - als Wachsen oder hier besser:
Gewachsenes - Welt , „weralt“, also als das zwischen den, mit den, durch die
Menschen Gewachsene. Das Problem dabei ist: das zwischen den, mit den, durch
die Menschen Gewachsene - gemeinhin „Kultur“ genannte - gibt es zurzeit nur
im Plural.
Damit muss vor allem auch Schule umgehen. Die nächste Schule muss die
Themen und Problemstellungen, an denen sich ihre Schüler bilden sollen, in den
Horizont und Kontext der digital vernetzten Weltgesellschaft stellen. Und das
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