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die reflektorische, metakognitive Seite aber nicht mitliefert, im Gegenteil, wie
am semantischen Web gezeigt, eher in alten Verortungslogiken verharrt, ist die
didaktische Begleitung für den Erwerb kritisch-reflektorischer Medienkompe-
tenz existentiell. Prosumenten sollten dementsprechend auch insofern mündig
werden, als dass sie Techniken nicht mit Inhalten verwechseln und Handlung
nicht mit (Nach-)Denken. Die schulische Arbeit am Rechner bedarf genauso der
kritischen Reflexion wie das Arbeiten mit Filmen oder Schulbüchern und zu
Letzterem ist die Schulpraxis noch gar nicht richtig gekommen. Nun aber scheint
die Erlangung von Methodenkompetenz nicht nur in der Programmatik der Bil-
dungsstandards stark in den Fokus zu rücken, sondern auch die Praxis von Leh-
rer/innen und Schüler/innen zu dominieren, die sich in ihren Rollen hierbei oft-
mals vertauschen. Welche Möglichkeiten bieten die technischen Bedingungen
und, noch wichtiger, welche nicht? Was machen die technischen Vorgaben mit
den Inhalten? Für solcherart Nach-Denken ist in der Unterrichtspraxis kaum
Platz.
Hinzu kommt, dass der Dekonstruktion von kartographischen Verortungen,
wie sie Gryl (2010) theoretisch und exemplarisch ausarbeitet, ein Verständnis
der Wirkungsweise und Nützlichkeit der verortenden Medien (Karten im Allge-
meinen und auch Counter-Maps beinhalten nach wie vor naturalisierende Veror-
tungen) didaktisch vorausgehen, zumindest aber beiseitegestellt werden muss. Es
muss Klarheit über die Grammatik der Weltdeutung und die Grenzen ihrer Ver-
änderbarkeit in Bezug auf eine gelungene Verständigung herrschen - wir können
eben nicht „frei“, im Sinne von beliebig, neue Sprachen des visuellen Raumbe-
zugs erfinden und damit gewohnte Deutungsmuster konterkarieren, wenn wir
uns über bestimmte Raum-Zeit-Stellen praktisch und gelingend verständigen
wollen (Schlottmann 2005: 147ff.).
Schließlich sollten die Prosumenten im web2.0 auch in der Hinsicht mündig
sein, als dass sie nicht allein um die theoretisch grundlegende, praktisch aber
eingeschränkte Kontingenz der angebotenen Deutungen wissen, sondern auch in
eine Debatte über die Werte und Normen einer Neudeutung einsteigen können.
Wir können die Räume selber „machen“ (im Sinne von Visualisieren, und damit
mit Bedeutung belegen), wie aber sollten wir das tun? Darin besteht auch ein
bildungspolitischer und fachdidaktischer Auftrag zur Vermittlung eines kritisch-
reflektierten Umgangs mit stereotypen Vorstellungsbildern sowie zur Vermitt-
lung eines kritisch-reflektierten und differenzierten Umgangs mit der Praxis des
Ontologisierens und Verortens im alltäglichen Sprachgebrauch. Können wir
denn anders, und wenn nein, warum nicht? Die Auseinandersetzung mit der
Notwendigkeit von räumlichen Kategorien ist ein, wenn nicht der Schritt zu ihrer
Entmachtung. Und schließlich scheint es ganz zentral, dabei über die Konstituti-
on von Subjekten nachzudenken, über die Rollen, die wir annehmen und den
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