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Respekt im Umgang mit
der madagassischen Kultur
sie fordert oder bezahlt. Es gibt Situa-
tionen, in denen uns diese sympathi-
sche Lebenseinstellung zur Weißglut
bringt, weil wir nicht verstehen, warum
man uns nicht gibt, was uns „zusteht“.
Unterschiedliche Wertvorstellungen
treffen aufeinander, beide Seiten füh-
len sich im Recht und verstehen die
Reaktion des anderen nicht. Da hilft
nur, gelassen hinzunehmen, was oh-
nehin nicht zu ändern ist - und darü-
ber nachzudenken, ob es angebracht
ist, in einer fremden Kultur nach unse-
ren Wertmaßstäben zu urteilen. Glau-
ben Sie nicht, Sie müssten nur mal
„richtig auf den Tisch hauen“, dann
klappt das schon - gerade dann wird
es nicht klappen. Auch ein „Taschen-
geld“ (Bestechung) hilft nur bei Men-
schen, die bereits einen Teil ihrer kul-
turellen Identität durch Kontakte mit
materiell denkenden Ausländern verlo-
ren haben. Die größten Chancen, Ihre
Wünsche erfüllt zu bekommen, beste-
hen dann, wenn Sie höflich, freund-
lich und verständnisvoll bleiben und
zu verstehen geben, dass Sie notfalls
Ihr Schicksal akzeptieren werden.
Bei Madagassen hinterlassen laute
und fordernde Menschen einen
schlechten Eindruck, denn die ur-
sprüngliche madagassische Kultur ist
von Bescheidenheit, Hilfsbereit-
schaft und Respekt geprägt. Polter-
geister werden keineswegs für ihren
„starken Willen“ und ihre „Durchset-
zungskraft“ bewundert. Zwar hat man
sich in Städten an unsere aufbrausen-
de Art gewöhnt, sie wird aber den-
noch als unkultiviert empfunden. Auf-
trumpfendes Verhalten in Konflikt-
Deutschsprachige Reisende sind nach
wie vor gern gesehene Gäste in Mada-
gaskar, denn sie gelten als wohlmei-
nende „Vazaha“ (Fremde), die im
Gegensatz zur französischen Kolonial-
macht keinen erkennbaren Schaden
angerichtet haben. Seit der ersten
Wahl von Staatspräsident Marc Rava-
lomanana im Dezember 2001, der
„Made in Germany“ außerordentlich
schätzt, und dem Besuch von Bun-
despräsident Horst Köhler im April
2006 auf Madagaskar sind Deutsche
besonders willkommen, als Ratgeber,
Fachleute, Investoren und natürlich
auch als Touristen. Sein Nachfolger,
Übergangspräsident Andry Rajoelina,
sucht seit seiner vom Militär unter-
stützten Machtübernahme im März
2009 wieder eine Annäherung an
Frankreich.
Auf der Insel Nosy Be allerdings kam
in den 1980er Jahren der bis dahin
selbstverständliche Respekt ins Wan-
ken, als „Billig-Badeurlauber“ in größe-
ren Mengen auftauchten und mit teu-
tonischem Charme Pünktlichkeit, Ser-
vice und Komfort einforderten. Das ist
aber erfreulicherweise lange her und
vergessen.
Der in unserer materialistischen Leis-
tungskultur selbstverständliche Zu-
sammenhang von Preis und Leistung
ist der madagassischen Kultur trotz
Professionalisierung in vielen Berei-
chen weiterhin fremd. Nett ist man zu
Menschen, die man mag, Hilfe erhält
im Zweifel, wer sie benötigt, nicht wer
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