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tranken so berühmte Leute wie Dr. John-
son, Jonathan Swift und Daniel Defoe.
Anfang des 17. Jh. etablierte sich am
östlichen Ende der Fleet Street ein Ge-
biet, das Alsatia genannt wurde - die
Bezeichnung ging auf das Elsass zu-
rück, das damals im Verständnis der Bri-
ten ein Niemandsland zwischen Frank-
reich und Deutschland gewesen sein
soll. Ursprünglich gehörte das Areal zum
Whitefriars-Kloster. Mit der Reformati-
on und der damit einhergehenden Auf-
lösung der Konvente entwickelte sich
das kleine Viertel - gelegen im Bereich
der heutigen Whitefriars Street und der
Hanging Sword Alley - zu einer Asylge-
gend. Diebe, Straßenräuber und Krimi-
nelle aller Art ließen sich in Alsatia nie-
der und fanden hier Schutz vor der Obrig-
keit: Paradoxerweise lag diese „Räuber-
höhle“ nur einen Steinwurf von den lnns
of Court, den Rechtsschulen, entfernt.
Im Jahre 1692 flüchtete auch Daniel De-
foe nach Alsatia. Der Autor des „Robin-
son Crusoe“ hatte einen Schuldenberg
von 17.000 Pfund angehäuft, ein Groß-
teil des Geldes gehörte seiner Schwieger-
mutter, die die Häscher gegen ihn ausge-
schickt hatte. Defoe blieb einen Monat in
seinem Asyl und reiste dann nach Bris-
tol, wo es ihm gelang, seine Angelegen-
heiten zu regeln. Sir Walter Scott (1771-
1832), berühmt geworden durch seinen
Romanhelden Ivanhoe, beschrieb in sei-
ner 1822 erschienenen Novelle „The
Fortunes of Nigel“ das Quartier Alsatia
mit drastischen Worten. 1697 stürmten
Truppen das Viertel und verhafteten oder
vertrieben die Bewohner.
Auch in der Fleet Street befand sich,
ebenso wie in Southwark, eines der be-
rüchtigten Gefängnisse der damali-
gen Zeit: das Fleet Prison. Wie bereits
erwähnt, hatten die Häftlinge in jenen Ta-
gen selbst für ihren Lebensunterhalt zu
sorgen. Wer arm war, dem blieb nichts
anderes übrig, als am Begging Gate, am
„Bettlergitter“, Fleet-Street-Passanten
um eine milde Gabe zu bitten. Auch die-
se Haftanstalt ging in die englische Lite-
ratur ein: Im Shakespeare-Stück „Hein-
rich IV.“ wird der Protagonist Sir John
Falstaff ins Fleet Prison geworfen und
Charles Dickens gibt in seinem Roman
„Mr. Pickwick“ eine schaudern machen-
de Beschreibung des Gefängnisses. Vom
November 1746 bis März 1749 saß ein
gewisser John Cleland im Fleet ein und
schrieb während dieser Zeit den Roman
„Memoirs of Woman of Pleasure“, besser
bekannt unter dem späteren Titel „Fanny
Hill“. Das obszöne Werk brachte dem Ver-
leger einen Gewinn von 10.000 Pfund.
Cleland selbst verdiente weniger als
25 Pfund daran. Bis zum Jahr 1963, als
der Roman auch offiziell wieder aufge-
legt werden durfte, blieb „Fanny Hill“ ein
„Untergrundklassiker“.
Erst Mitte des 19. Jh. wurde das Ge-
fängnis geschlossen, nur noch der Stra-
ßenname Fleet Lane erinnert daran.
Eine andere monströse Institution je-
ner Tage hatte ihren Sitz am heutigen
Bridewell Place. Dort befand sich einst
ein kleiner königlicher Palast, den Edu-
ard VI. der City übereignete - fortan ker-
kerte man in dieser „Besserungsanstalt“
„streunende“ Jugendliche und „unmora-
lische“ Frauen ein. Doch damit nicht ge-
nug: Während des 17. und 18. Jh. konn-
ten Passanten gegen ein Eintrittsgeld
den körperlichen Züchtigungen beiwoh-
nen, denen man die Frauen - die dabei
natürlich weitestgehend unbekleidet wa-
ren - unterzog. 1791 stoppte man die-
ses barbarische Spektakel.
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