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Orte im Süden des Landes, in denen
sich der König 1940 auf seiner Flucht in
Richtung England aufgehalten hatte,
waren dem Erdboden gleichgemacht.
Über 10.000 Tote waren zu beklagen,
viele seelische Wunden aus dieser Zeit
sind noch heute bei älteren Norwegern
nicht verheilt. Am 24. Oktober 1945
wurde der des Hochverrats und Mor-
des angeklagte Vidkun Quisling auf der
Festung Akershus hingerichtet.
In der Folgezeit begann man, mit
dem Geld aus den Reparationszahlun-
gen das Land wiederaufzubauen und
einen Sozialstaat nach schwedischem
Vorbild zu formen. 1945 war das Land
Gründungsmitglied der UNO, deren
erster Generalsekretär der damalige
norwegische Außenminister Tr ygve Lie
wurde. 1949, nach dem Scheitern eines
Nordischen Verteidigungsbündnisses,
wurde Norwegen Mitglied der NATO.
Im Jahre 1969 wiesen Bohrungen in
der Nordsee nach, was man schon seit
Anfang der 1960er Jahre dort vermute-
te: umfangreiche Öl- und Gasvorräte.
Aus dem Aschenputtel wurde ein Groß-
verdiener.
Drei Jahre später, 1972, kam zum ers-
ten Mal der Gedanke auf, dass man
zwar nun ein Ölmagnat sei, sich aber
doch wohl kaum von Resteuropa sepa-
rieren dürfe. In einer Volksabstim-
mung über den EG-Beitritt zeigte sich
aber, dass 53,5 % der Norweger, die ih-
re Stimme abgaben, diese Ansicht nicht
teilten. Zu groß war die Angst vor
Fremdbestimmung, die man doch bis
1905 und im 2. Weltkrieg hatte über
sich ergehen lassen müssen.
In den 1980er Jahren konnte das
Land dank der Einnahmen aus dem gut
laufenden Ölgeschäft all seine Aus-
landsschulden zurückzahlen. Da die
wirtschaftliche Macht wuchs und man
sich auch befähigt fühlte, in Europa stär-
ker aktiv zu werden, entschloss man
sich Anfang der 1990er Jahre zu er-
neuten Beitrittsverhandlungen mit
der EU. Die Volksabstimmung erfolgte
1994 nach den Plebisziten in Finnland
und Schweden. Der Hintergedanke der
europafreundlichen Regierung bei die-
ser Terminplanung war einfach: Bei den
skandinavischen Nachbarn war, Umfra-
gen zufolge, die EU-Akzeptanz größer
als in Norwegen, und so sollten diese
Länder im Falle positiver Abstimmungs-
ergebnisse Vorbildwirkung haben. Die
damalige Ministerpräsidentin Gro Har-
lem Brundtland verwies zudem auf
mögliche günstige wirtschaftliche Aus-
wirkungen eines EU-Beitritts. Allerdings
ließ sich auch nicht verleugnen, dass
diese nur den größeren Städten zugute
kommen würden. In weiten Teilen hat-
te man berechtigte Ängste vor EU-Nor-
men, Eurokratie und fremden Fischern
in eigenen Gewässern. Folgerichtig ent-
schied man sich wieder gegen den Bei-
tritt, diesmal mit 52,3 % etwas knapper
als 1972. Ganz entscheidend für den
Ausgang zukünftiger Abstimmungen
wird es sein, ob Norwegen in der EU
seine Identität bewahren könnte. Zu
kurz ist die eigene Historie, zu zer-
brechlich die norwegische Selbstfin-
dung.
Das norwegische Parlament von innen
 
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