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Als Igor, der Sohn, zum Militär eingezogen wurde, hat man in seinem Zimmer
auh nah Wohen niht einmal den Boden gebohnert oder den Staub von Shränken
und Regalen gewisht. Niemand traute sih, auh nur eines seiner Büher an-
zurühren. Denn wenn sih jemand auf eine Reise begibt, dann darf in seinem Zim-
mer niht das winzigste Detail verändert werden, sonst kommt er niht zurük. Die
Notwendigkeit, dies mit äußerster Disziplin zu befolgen, leuhtete mir sofort ein.
Die russishe Armee ist gefürhtet. Weniger bei ihren Feinden, sondern vor allem bei
denen, die in ihr dienen müssen. Das »Komitee der Soldatenmüter«, eine
Menshenrehtsorganisation, shätzt, dass 2007 mehr als 300 Soldaten nah Mis-
shandlungen durh Oiziere und Kameraden ums Leben kamen. »Dedowshina«,
die »Herrshat der Großväter«, nennen die Russen dies. Nah Einshätzung des
Vorsitzenden der Gesellshatskammer, des Rehtsanwaltes Anatolij Kutsherena, ist
die Dedowshina »das System, auf dem die gesamte Disziplin der russishen Armee
basiert«. Nah Angaben der Militärstaatsanwaltshat wurden 2007 mehr als 16000
Personen angeklagt und 550 Oiziere wegen Rekrutenshinderei verurteilt. Unter
den Wehrdienstleistenden gab es 1012 Tote jenseits von Kampfhandlungen. Jeder
wird verstehen, dass Igor angesihts dieser Statistik übernatürlihen Beistand
brauhte. In seinem Zimmer wurde deshalb während der gesamten Wehrdienstzeit
von zwei Jahren niht ein einziges Mal das Fenster geöfnet.
Shon nah drei Monaten in meiner Gastfamilie häte ih ein ganzes Buh über
Aberglauben shreiben können. Saßen wir beispielsweise zusammen am Tish und
iel jemandem ein Messer herunter, wurde ih unmitelbar belehrt, dass jetzt gleih
ein Mann zu Besuh komme. »Nosh«, das russishe Wort für Messer, ist männ-
lihen Geshlehts. Gleiten Gabel oder Löfel, beide weiblihen Geshlehts, aus der
Hand, soll eine Frau ersheinen, was ih zweifelsohne bevorzuge, am besten eine
junge mit langen Beinen. Obwohl Russen einander gerne besuhen und auh shon
mal spontan bei Freunden und Verwandten hereinshauen, ist diese Bestek-Wun-
derprophezeiung in meinen vielen Moskaujahren nur äußerst selten eingetreten.
Und wenn, dann zauberte die Gabel eine alte Babushka herbei und keine knakige
Dreißigjährige.
Traf jemand eine positive Voraussage, zum Beispiel Sergej, der Familienvater,
dass »am Samstag auf der Datsha bestimmt die Sonne sheinen werde«, drehte er
seinen Kopf nah links und stieß dann mit einem angedeuteten Spuken über die
linke Shulter ein dreifahes Pff, Pff, Pff aus. Damit das Weter auh wirklih gut
werde. Regnete es dann dennoh am Wohenende, hate der Brauh niht geholfen.
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