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Dann shaute ihn die ganze Familie vorwurfsvoll an und sagte: »Du hast es mit
deinem Gerede verluht, hätest du doh den Mund gehalten.« Der Aberglaube
kommt mir vor wie ein Versuh, die Göter, Naturgesetze oder wenigsten die Weter-
vorhersage auszutriksen. Und manhe Bräuhe sind nihts anderes als bequeme
Ausreden. Gab es Streit in meiner Gastfamilie, soll die Großmuter daran shuld
gewesen sein, die vor einer Wohe Salz vershütet hate. Das war bequemer, als et-
was gegen Sergejs Alkoholismus zu unternehmen, der den meisten Shreiereien in
der Familie zugrunde lag.
Wenn ih heute auf meinem Shreibtish etwas liegen lasse, mein Notizbuh oder
mein Mobiltelefon, und deshalb wieder ins Büro zurükeile, rufen mir meine Mit-
arbeiter zu: »Nun aber noh einmal in den Spiegel shauen.« Das ist niht etwa
wihtig, damit ih diesmal nihts vergesse. Das ist wihtig, damit der Geist mih
niht verliert, der mih beshützt und eigentlih shon unten auf der Straße auf mih
wartet, aber niht versteht, warum ih noh einmal mit großen Shriten die Treppe
rauf- und runterhetze.
Natürlih sind niht alle Moskauer abergläubish. Wenn Sie lange suhen,
können Sie vielleiht ein Dutzend Menshen inden, die noh streng an den wis-
senshatlihen Materialismus glauben, der immerhin unter den Kommunisten Teil
der Staatsideologie war und festlegte, dass Dinge allein nah messbaren Fakten
beurteilt werden sollen. Weil also niht alle Moskauer abergläubish sind, wage ih
seit vielen Jahren shier Ungeheuerlihes. Ih vershenke an Geburtstagen oder zu
Neujahr auh mal ein Tashenmesser, obwohl doh jeder weiß, dass spitze Gegen-
stände als Geshenk unweigerlih zum Streit führen müssen. Meinem damaligen
Mitarbeiter Wassilij habe ih shon vor fünfzehn Jahren mit einem Shweizer Mess-
er, damals in Moskau noh eine Seltenheit, eine Freude gemaht. Natürlih ist
Wassilij niht abergläubish, im Prinzip. Zur Siherheit aber hat er mir damals noh
eine Zwei-Rubel-Münze in die Hand gedrükt. Jetzt war das Messer kein Geshenk
mehr, sondern ein Kauf. Moskauer sind viel zu shlau, als dass sie niht jeden noh
so komplizierten Brauh mit List und Tüke aushebeln könnten. Natürlih bin ih
heute noh mit Wassilij befreundet. Niht auszudenken, was passiert wäre, häte er
damals niht seine zwei Rubel geopfert. Wir würden heute die Straßenseite weh-
seln, wenn wir uns begegnen.
Wenn man einmal mit den vielfältigen Aberglaubensregeln der Moskauer bekan-
nt ist, stolpert man im Alltag auf Shrit und Trit über sie: Meine Frau wirt Gläser
und Porzellan, die einen Sprung haben, sofort weg. Es in der Wohnung zu lassen
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