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das shon in den Dreißigerjahren ließend Wasser, eine eigene Energieversorgung,
ein Kino, heater und einen gemeinsamen Speisesaal hate. Auf dem Dah dieses
Symbols der sozialistishen Utopie dreht sih heute ein überdimensionaler
Mercedes-Stern. Leo Trotzkij verkündete 1924: »Der Mensh wird unvergleihlih
stärker, klüger, feiner werden. Der menshlihe Durhshnit wird sih bis zum
Niveau eines Aristoteles, Goethe, Marx erheben.« Sehs Jahre später nahm sih der
Dihter Majakowskij das Leben, im Haus am Ufer standen Ende der Dreißigerjahre
die Wohnungen leer, weil Stalin seine ehemaligen Kampfgenossen reihenweise hin-
rihten ließ. Und Trotzkij wurde 1940 auf Befehl des Diktators ermordet. Der neue
Mensh war eine Missgeburt, und seine Lebensverhältnisse waren erbärmlih.
Die Moskauer atmeten auf, als Generalsekretär Nikita Chrushtshow
(1894-1971) in den Sehzigerjahren in Moskau und anderen Städten in großem Stil
fünfstökige Wohnhäuser bauen ließ. Die Wohnungen waren klein bemessen und
nur mit dem Nötigsten ausgestatet. Dennoh stellten sie einen gewaltigen Fortsh-
rit für diejenigen dar, die aus einer Kommunalka ausziehen konnten. Das Zent-
ralkomitee der KPdSU hielt fest, »dass die kommunale Wohnung kein Entwurf der
sowjetishen Maht war, sondern ein Ergebnis der Mitelknappheit während der In-
dustrialisierung« und dass »das Wohnen mehrerer Familien in einer Wohnung
anormal und ein soziales Problem« ist. Der Shritsteller Wiktor Jerofejew shildert
Wohnen in der Kommunalka so: »In den Kommunalwohnungen mit ihren selbst ge-
bastelten Siherungen, zerbrohenen Sheiben, abgerissenen Türklinken, Moder-
geruh, da, wo die Straße im Korridor beginnt und die Rohre weinen, dort haust ein
Russland, das die vorpetrinishe Periode bis heute fortsetzt. Aus Versehen wählst du
eine falshe Telefonnummer, und aus der Tiefe eines Shahts antwortet dir eine
Stimme wie von Sinnen - mit einem Shlag bist du direkt im Mitelalter gelandet.
Die elementarsten Vorstellungen sind hier aus dem Lot, in den Köpfen fantastishe
Weltvorstellungen, unter sih lösenden Tapeten vergilbte Zeitungslosungen gegen
Buharin oder auh Israel, grausamer Alkoholismus, keiner Analyse zugänglihe
geistige Zurükgebliebenheit bei permanenter Bedröhnung aus dem Fernseher,
Zank, Hass, Armut - dieser ganze Klumpen verklebten Bewusstseins wälzt sih
durhs ganze Land. Die versauten Hauseingänge und Toreinfahrten, die wie Müll-
shluker verdrekten Höhlenmenshen sind metaphysish. Der Kontakt zu ihnen
lässt umgehend Emigrationsgedanken aukommen. Die Auswirkungen einer Ex-
istenz in der Gemeinshatshölle werden auf lange Jahre spürbar sein.«
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